Perugia – eine vielschichtige Stadt

Hier möchte ich Ihnen Perugia – eine vielschichtige Stadt vorstellen.

Heute noch sichtbare Spuren der Geschichte

20. Juni 1859, der Freiheitskampf hat längst Perugia erreicht. Die Bürger wollen die Stadt von der Herrschaft des Papstes befreien. Der größte Teil der Waffenfähigen hat die Stadt verlassen, um im piemontesischen Heer für die Befreiung zu kämpfen. Das nutzt Papst Pius IX. Er schickt 2.000 Schweizer nach Perugia. Die Stadt ist nur schwach verteidigt. Zu wenige Kämpfer, schlecht bewaffnet und auf die ganze Mauer verteilt. Die Schweizer gelangen in die Stadt und richten ein Massaker an („Stagi di Perugia“). Erst im September 1860 wurde Perugia befreit. Auf dem Borgo XX Giugno steht ein Denkmal für die Getöteten. Dramatische Ereignisse also, die in der Erinnerung nachwirken.

Perugia

Heute ist Perugia eine lebendige und freundliche Stadt, auch wenn die Konflikte der Vergangenheit in der Stadt noch sichtbar sind. Die Schichten der Stadtentwicklung von der Antike bis in die jüngere Vergangenheit sind noch vorhanden. Perugia ist also wortwörtlich eine vielschichtige Stadt. Aber der Reihe nach.

Wahrscheinlich sogar von den Etruskern gegründet, gab es in Perugia im 2. und 3. Jahrhundert eine erste Blütezeit. Perugia war kleiner als Tarquinia (das damals fast so groß wie Rom war). Es gehörte zur etruskischen Dodekapolis. Es gibt eine Reihe von Spuren der Etrusker: den etruskischen Bogen, einen Brunnen (der über einen unterirdischen Gang zugänglich ist), mehrere Grabstätten und viele Funde im archäologischen Nationalmuseum, und natürlich die Mauern mit mehreren Toren.

Anders, als etwa Orvieto, war Perugia, nachdem es von den Römern besiegt wurde, mit Rom verbündet. Konfliktreich war die Geschichte der Stadt trotzdem – schon damals.

Der spätere Augustus, als er noch Octavian hieß, belagerte die Stadt, weil sich ein Bruder seines Widersachers Marc Anton dort verschanzt hatte. Er nahm sie ein, plünderte sie und brannte sie ab. Das war lange vor der Pax Augusta. Immerhin ließ er sie wieder aufbauen und sie durfte sich Augusta Perusia nennen. Auch die Byzantiner herrschten im 6. Jahrhundert über Perugia.

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Im Mittelalter versuchte die Stadt ihren Einflussbereich zu vergrößern und wandte sich vom Kaiser ab und dem Papst zu, war also guelfisch. Im 13. Jahrhundert gab es eine weitere Blütezeit, aus der eine Reihe von Bauwerken stammt (z.B. der große Brunnen samt Aquädukt und der Stadtpalast). Anfang des 14. Jahrhunderts wurde die ursprünglich etruskische Mauer zu klein und daher deutlich erweitert.

Ende des 14. Jahrhunderts geriet Perugia vollständig unter die Kontrolle des Papstes. Die Stadt rebellierte aber recht bald, zerstörte die gerade erst gebaute Festung des Papstes und erlebte Anfang des 15. Jahrhunderts noch eine kurze Blütezeit unter der Signoria von Braccio da Montone.


Die zwei mächtigsten Familien der Stadt bekämpften sich und 1500 gab es ein regelrechtes Massaker zwischen ihnen. 1531 war es mit der städtischen Herrschaft wieder vorbei und von da ab blieb die Stadt 300 Jahre dem Kirchenstaat unterworfen.

Dass die Stadt lange zum Papst gehalten hatte, galt nichts mehr, als es einen Aufstand wegen der Erhöhung der Salzsteuer gab. Papst Paulus III wollte den Bürgern von Perugia und insbesondere den die Stadt dominierenden Baglioni zeigen, wo der Hammer hängt. Er baute also seine Festung auf den Gebäuden der Baglioni. Deshalb sieht man heute noch in den riesigen Gewölben der Rocca Paolina die Überreste der alten Häuser und Türme.

Die Festungsanlage auf dem Colle Landone war Symbol der Fremdherrschaft. Folgerichtig wurde sie 1848 gestürmt und zum Teil abgerissen. Endgültig dem Erdboden gleich gemacht wurde sie bei der Einigung Italiens 1860. Und darüber wurden die neuen Gebäude gebaut.

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Noch ein Wort zu Braccio da Montone, treffend genannt „Il Fortebraccio“, um einmal zu illustrieren, was die Gepflogenheiten im 15. Jahrhundert waren. Braccio war ein Condottiere, also ein War Lord. Wenn es Anfang des 15. Jahrhunderts irgendwo größeren Streit gab, waren er oder sein Widersacher Muzio Attendolo Sforza dabei, oder beide. Geboren wurde Braccio in Perugia.
Er wollte mehr, als nur Krieger sein. Er eroberte Perugia, erhielt dafür auch die Unterstützung des Papstes in Form des Titels päpstlicher Priester und machte sich zum Chef der Stadt. Dumm nur, dass Johanna II. von Neapel und Alfons V. von Aragon in Italien ihren Streit austrugen. Johanna, Königin von Neapel und nebenbei exkommuniziert, hatte Alfons adoptiert und zum Erben des Königreichs gemacht. Alfons engagierte Braccio, um seinen Rivalen um die Krone, Ludwig III. von Anjou, zu bekämpfen, der wiederum von Sforza unterstützt wurde.
Die jeweiligen Bündnisse lockerten sich, als Sforza sich von Ludwig abwandte und Braccio den Liebhaber der Königin gefangen nahm und das sogar mit der Königin versuchte. Johanna wandte sich Sforza zu, enterbte Alfons und ersetzte ihn, mit Unterstützung des neuen Papstes Martin V., durch Ludwig III.. Alfons holte sich Braccio zu Hilfe.
Braccio kämpfte also nun für Alfonso, Sforza für Johanna. 1424 starben beide. Sforza ertrank, Braccio starb nach Verwundungen im Kampf gegen Sforzas Sohn Francesco.

Die Etrusker: von 800 v.Chr. bis ins erste Jahrh. nach Chr. nachweisbar, nach der Eroberung ab 300 v.Chr. nach und nach im Römischen Reich vollständig aufgegangen, ursprünglich Herrscher über den größten Flächenanteil Italiens (Toskana, Umbrien, Latium inkl. Rom; in der größten Ausdehnung bis zur Poebene im Norden und Kampanien im Süden, das war schon was). Ein Berater von Augustus (Maecenas, dem wir das Wort Mäzen verdanken) hatte etruskische Wurzeln und Kaiser Traianus Decius heiratete im dritten Jahrhundert eine etruskische Adlige.
Die etruskische Schrift ist an ein älteres griechisches Alphabet angelehnt und wird von rechts nach links geschrieben (für diejenigen die gerne Grabinschriften lesen). Die Etrusker sind auch Namensgeber des Tyrrhenischen Meeres, wo Sie die Seeschlacht bei Alalia gegen die Griechen gewannen (man nannte sie auch Tusker und eben Tyrrhener).
Die beste Zeit der Etrusker in Perugia war vom 5. bis zum 3. Jahrh. v. Chr. Erhalten aus dieser Zeit ist die Mauer, die zwischen dem 4. und 3. Jahrh. v. Chr. gebaut wurde.

Wer nicht so weit in die Vergangenheit gehen möchte, erinnert sich vielleicht an Amanda Knox, ihre Verurteilung wegen Mordes und anschließenden Freispruch.

Die Gebäude in der Stadt haben also viel von der Geschichte zu erzählen. Zeit, sich die Stadt anzusehen.

Das Besondere an Perugia

Insider Perugia

Perugia hat eine ganze Reihe von Besonderheiten zu bieten, die es woanders nicht gibt. Und das sind nicht nur die Baci. Auffallend ist einmal die Größe und Pracht der Gebäude im Verhältnis zu den schmalen, mittelalterlichen Straßen. Als hätte jemand, wie mit Tetris, die riesigen Blöcke der Palazzi in die Stadt fallen lassen. Die Stadt ist in wörtlichem und übertragenem Sinn vielschichtig. Wie alle alten Städte gibt es eine ganze Reihe von Siedlungsschichten.

Besonders in Perugia ist, dass von den Schichten noch sehr viel erhalten ist. So kann man zwei übereinander gebaute, meterhohe Schichten der etruskischen Mauern und darüber eine römische Mauer sehen. Oder die Mauern eines alten Palazzo, darüber die Reste einer Burg und darüber die Gebäude aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Oder die Feuerwache, die in den ehemaligen Gebäuden eines Klosters untergebracht ist. Jeder Ort, jedes Haus, so scheint es, hat eine lange und komplexe Geschichte.

Mit den vielen engen, mittelalterlichen Gassen wirkt Perugia an manchen Stellen düster. Auch strahlen die großen Gebäude nicht immer Gemütlichkeit aus. Tatsächlich ist die Stadt aber lebensfroh und sehr lebendig.

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Piazza IV Novembre

Wo starten? Was verbindet das etruskischen Erbe mit dem Typischen einer Umbrischen Stadt: steile, schmale Strassen! Also sind der etruskische Bogen und die Via Ulisse Rocchi ein guter Anfang.

Der etruskische Bogen stammt aus einer Zeit (Mitte des 3. Jahrh. v. Chr.), in der es mit den Etruskern schon langsam bergab ging. Es gibt zwei Inschriften, eine davon von Augustus: „Augusta Perusia“. Ein schöner Ausgleich für die Zerstörung der Stadt. Die zweite Inschrift, aus der Zeit des Kaisers Vibius Trebonianus Gallus (251 bis 253 n. Chr.), nennt die Stadt eine römische Kolonie („Colonia Vibia“).

Dann geht es durch die Via Rocchi, benannt nach dem Politiker und Arzt aus Perugia. Er war Gründer der Zeitung La Provincia und über 10 Jahre Bürgermeister der Stadt. Er initiierte ein Reihe von Infrastrukturmaßnahmen (u.a. eine Straßenbahn vom Bahnhof ins Zentrum, ein Aquädukt und ein Kraftwerk). Allerdings ruinierte er damit die Finanzen der Stadt und das Aquädukt war technisch unsicher. 1903 wurde er abgewählt. Die Straße ist hauptsächlich schmal und bietet einzelne kleine Restaurants, Imbisse und Geschäfte. Spannender und atmosphärischer wird es an der Piazza Danti wo der Dom steht. Kein Schreibfehler. Der Platz ist nach Ignazio Danti benannt, einem in Perugia geborenen Mathematiker und Astronom.

Auf der anderen Seite des Doms, auf der Piazza IV Novembre, lauern gleich mehrere Highlights der Stadt, die Fonte Maggiore, daneben der Palazzo dei Piori, ein Stück weiter die Galleria Nazionale und die Flaniermeile Corso Vannuci. Wer erst einmal in Ruhe überlegen muss, was zuerst besichtigt werden soll, kann das im Turan Café an der Piazza IV Novembre machen. Qualität und Preise sind  besser, als der Ort erwarten lässt und der Service ist sehr freundlich. Und man hat den besten Blick über den Platz. Wir befinden uns auf der Isola di San Lorenzo. Eine Insel? Ja, denn „isola“ heißt auch Stadtviertel. Zudem ist es eine Art heiliger Bezirk, da unter der heutigen Kathedrale Reste einer vorherigen Kirche gefunden wurden und sich hier auch ein etruskischer Tempel befand. Der Name kommt von dem Heiligen, dem die Kirche geweiht ist.

Fontana Maggiore

Gerne wäre man dabei gewesen in der Stadtversammlung, in der der Bau des Brunnens besprochen und entschieden wurde. Perugia war damals eine führende Stadt nach Einwohnern (30.000, damals mit Rom vergleichbar) und nach der Bedeutung als Handelsplatz. Die Leitung hatte ein Podestà und ab 1255 ein Stadthauptmann. Kontrolliert wurden diese von einer Gruppe wohlhabender Bürger, „Volk“ („popolo“) genannt. Die Player waren Ermanno da Sassoferrato (Capitano del Popolo) und Matteo da Correggio (Podestà). Die Stadt wollte es krachen lassen und den anderen mal richtig zeigen, was man kann. Entsprechend anspruchsvoll war auch das Bildprogramm. Alles, was irgendwie ging, wurde reingepackt. Und, damit der Brunnen auch richtig sprudelt, wurde ein Aquädukt gebaut, der das Wasser vom Monte Paccino über 3 km herleitete.


Der Brunnen zeigt im unteren Teil drei Zyklen: einmal die Geschichte der Menschheit und Roms, zum zweiten die jahreszeitlichen Arbeiten des Bauern mit Tierkreiszeichen und schließlich die freien Künste. Das ist auch eine Botschaft: die Menschheitsgeschichte und die Geschichte Roms begannen mit einer Sünde deshalb müssen sich die Menschen mit Arbeit wieder der Gnade näher bringen. Nach der Sicherung der materiellen Lebensgrundlage kann man sich dann den Künsten und der Philosophie widmen. Eingestreut sind zwei Wappen mit dem Greif (Symbol der Stadt) und dem Löwen (Zeichen der Guelfen/Welfen) und zwei Adler, für die es keine verlässliche Deutung gibt.
Im oberen Teil sind wichtige Personen der Stadtgeschichte dargestellt, von den Stadtheiligen Herculanus und Laurentius bis zu den beiden damaligen Chefs der Stadt (Ermano da Sassoferrato und Metteo da Corregio).

Dom

Der Dom ist außen einigermaßen schmucklos, bietet aber im Inneren eine ganze Reihe von Kunstwerken, u.a. ein Hauptwerk von Frederico Barcci (Kreuzabnahme) von 1565. Außerdem gibt es den Verlobungsring von Maria zusehen (als Replika).

An der Seite des Doms ist die Loggia di Braccio zu sehen, die der oben erwähnte Braccio da Montone, damals Podestà, bauen ließ.

Neben dem Dom ist der Eingang zum Perugia sotteranea. Tief unter der Oberfläche sind etruskische und römische Mauern, ein Stück römische Straße, Reste eine römischen Hauses und mittelalterliche Mauern zu sehen. Eine Zeitreise und ein Erlebnis, die übereinander gebauten Schichten der Stadt zu sehen. Besonders, wenn man das Glück hat, eine spannende und humorvolle Führung zu erhalten (grazie alla guida!).

Palazzo dei Priori

Auch das Gebäude ist nicht zu klein geraten. 1.300 Häuser und eine Kirche wurden dafür abgerissen. Und später wurde der Bau sogar noch erweitert. Es ist ein Klotz und sieht auch ein wenig so aus. An der Schmalseite sind zwei Bronzefiguren, Greif und Löwe. Wahrscheinlich die ältesten großen Bronzegüsse des Mittelalters.

Einen Besuch lohnen die Innenräume, der große Sala dei Notari (in dem Volksversammlungen abgehalten wurden), mit Holzdecke und Fresken (zugänglich über die Freitreppe der Schmalseite), das holzvertäfelte Collegio della Mercanzia, der Zunft der Kaufleute und insbesondere das beeindruckende Collegio del Cambio (Geldwechsler) mit Wand- und Deckenmalereien von Perugino in einem der beiden Räume des Collegio (Sala dell’Udienza). Dieser Raum wird zu den schönsten und besterhaltenen profanen Innenräumen aus der damaligen Zeit gerechnet. Das Bildprogramm zeigt die bürgerlichen Kardinaltugenden und antike VIPs, die diese Tugenden verkörpern.

Der Gebäudekomplex beherbergt auch die Galleria Nazinale dell’Umbria mit vielen Meisterwerken aus der Region. Hier ist das Who-is-who der umbrischen und toskanischen Maler, inkl. Piero della Francesca versammelt. Aktuell ist die Galerie wegen Renovierung allerdings geschlossen.

Via dei Priori

Von der Piazza IV Novembre aus kann man gut mehrere interessante Runden machen. Eine davon führt in die Via dei Priori.

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Dafür gehen wir von der Piazza IV Novembre ein Stück den Corso hinunter und rechts durch einen Torbogen zur Via dei Priori. Am Anfang etwas dunkel und unscheinbar, führt die Straße zu einer Reihe von Schätzen. Die ganze Zeit begleitet die Mittelalter-Atmosphäre (Schmale Straßen mit Bögen, die abzweigen, grobe Steinmauern, verwinkelte Häuser).
Zuerst kommt die kleine Kapelle Sant’Agata mit Fresken aus dem 14. Jahrh. zu San Severo und mit einer Kalvarienszene. Gleich danach kommt die große Barock-Kirche San Filippo Nero mit sehenswerten Fresken von Carlone, Boccanegra, Ceccarini und Appiani. Ein kleiner Abstecher links in die Via della Cupa führt zu einem großen Stück der etruskischen Stadtmauer.


Dann öffnet sich ein kleiner Platz mit Kiosk, einer Bar und mit einem Ginkgo-Baum. Und am Ende des Platzes steht eine kleine Kapelle (Chiesa dei Santi Stefano e Valentino). Im Hintergrund sieht man den einzigen erhaltenen Geschlechterturm von Perugia (Torre degli Sciri) aus dem 13. Jahrh. Ein schöner Platz zum Verweilen. Kiosk und Bar sind Treffpunkte. Zum Kiosk gehört ein Hund. Viele, die vorbei kommen, spielen mit dem Hund. Eine kleine Idylle.

Immer weiter die Straße lang, am Geschlechterturm vorbei, kommt man schließlich an die Biegung in die Via San Francesco. Würde man geradeaus gehen, käme man zur etruskischen Porta Trasimeno. Der Name leitet sich aus der Richtung ab, in die das Tor zeigt. Die Baglioni (denen der Papst seine Burg auf die Häuser gebaut hat) gingen aus Aberglauben vor wichtigen Ereignissen – meistens Schlachten – durch dieses Tor, weil sie glaubten es brächte Glück.


Wir gehen weiter zur Piazza San Francesco. Hier stehen die Kirche San Francesco al Prato und das Oratorio di San Bernadino. San Francesco ist nach dem Vorbild des Baus in Assisi gestaltet. Viele der Kunstwerke aus seinem Inneren sind heute in Museen verstreut. Hier findet sich in einer Kapelle der Sarkophag des Braccio Fortebraccio. Die Kirche selbst ist entweiht und wurde in ein Auditorium umgewandelt, da der Untergrund nachgab und Teile der Kirche eingestürzt waren.


Das Oratorium ist ein Juwel. Das erste Kirchenschiff sieht sehr unscheinbar aus. Zu sehen ist ein frühchristlicher Marmorsarkophag aus dem 4. Jahrh., er ist heute der Altar. Geht man durch eine der Türen am Ende öffnet sich eine Pracht mit Kassettendecke, Gestühl und Bildern des 18. und 19. Jahrhunderts.


Für den Rückweg gehen wir wieder ein kleines Stück die Via dei Priori zurück und biegen dann links in die sehr schmale und mittelalterliche Via Francolina ein. Ganz am Ende gelangen wir zur Piazza Giuseppe Ermini mit dem Palazzo Florenzi. Hier führte Marianna Florenzi Waddington ihren Salon. Sie war eine selbstbewusste, gebildete und offenbar auch sehr schöne Frau. Sie befasste sich mit Philosophie, Literatur und Politik. Sie galt als eine der brillantesten Frauen ihres Jahrhunderts. Ludwig I, der bayerische König, hielt ihr Jahrzehnte die Freundschaft, besuchte sie oft und ließ Ihr Bild in der Schönheitengalerie aufhängen. Sie schrieb ihm 2.000 Briefe, er ihr 3.000.


Sie lebte zeitweise in Paris. Madame Colet, eine Schriftstellerin (die selbst in Paris einen Salon führte, zu dem auch Victor Hugo kam), und die mit Flaubert liiert war (sie sah sich später in Madame Bovary beschrieben und nahm Flaubert das übel) besuchte Marianna in Perugia. Dieser Ort weist also auf die intellektuelle Vernetzung in Europa Ende des 19. Jahrh. hin. Heute ist der kleine Platz etwas unwirtlich und man kann sich ungestört den Gedanken an die damalige Zeit widmen.

Weiter gehts durch die Via Verzaro bis zur Via Baldeschi. Und dann rechts in die Via Baldeschi. Hier zweigt eine Treppe ab. Am Ende der Treppe ist die Via dell‘ Acquedotto. Ein Stück des mittelalterlichen Aquädukts wurde zum Fußgängerweg umgebaut. So kann man, buchstäblich der Umgebung enthoben, zur Universität spazieren. Dann geht es auf dem gleichen Weg zurück, zur Piazza Cavalotti und dann gleich in die Via Maestà delle Volte.
In dieser mittelalterlichen Straße kann man gut die Spuren der Stadtentwicklung verfolgen.

Ursprünglich war sie wohl als Luftdurchlass zur Piazza IV Novembre gedacht. Ihren Namen hat die Straße von einem Bild der Maesta. Von dem Oratorium, das dafür gebaut wurde ist nach einem Brand nur noch ein Bogen übrig. Man sieht auch noch Reste eines zerstörten Palastes. Und am Ende steht ein mittelalterlich aussehender Brunnen, der aber in den 20ern des letzten Jahrhunderts errichtet wurde. Noch einmal viel Geschichte auf kleiner Fläche konzentriert.
Und schon sind wir wieder an der Kathedrale.

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Corso Vanucci und Piazza Italia

Wer den Corso für sich haben will, muss morgens kommen, vielleicht in der Gelateria Veneta am Largo della Liberta noch ein italienisches Frühstück nehmen und sich dann die Palazzi des Corso in Ruhe ansehen. Die beste Zeit ist natürlich der Samstag Nachmittag, wenn Jung und Alt aus der Stadt und dem Umland den Corso in Besitz nehmen. Man ist heftigst aufgebrezelt und guter Laune. Natürlich trifft man beim mehrmaligen Hin-und-Her-Flanieren Bekannte und Freunde, hält einen kleinen Plausch und wünscht sich einen schönen Spaziergang. Die Stadt vibriert.

Der Name kommt vom berühmtesten Maler der Stadt, der auch Perugino genannt wird.

Am Ende des Corso wartet die Piazza Italia, Symbol der siegreichen Bürger der Stadt und der Vereinigung Italiens. Entsprechend wurde der Platz mit einem Regierungsgebäude, einer Bank, einem Luxushotel (Brufani) und mit Wohnhäusern für die, die es wirtschaftlich geschafft hatten, bebaut. Natürlich durfte das Denkmal für Vittori Emanuele II nicht fehlen.

Und von der Terrasse hat man wahrscheinlich die beste Aussicht Umbriens.

Im Gebäude der Präfektur führt eine Rolltreppe ins Innere der Rocca Paolina. Es öffnen sich riesige unterirdische Gewölbe. Wie in einem Fantasy-Roman (oder wie im Film der König und der Vogel) geht man in einer Unterstadt über ehemalige Straßen und an Wänden und Türmen früherer Häuser vorbei. Ein beeindruckendes Monument der dramatischen Stadtgeschichte. Am Ende kommt man durch die Porta Marzia wieder ins Freie und kann gleich ein weiteres Etruskter-Tor bewundern, dessen Überleben nur dem Architekten der Rocca Paolina zu danken ist. Papst Paulus hätte in seiner Wut keine Rücksicht darauf genommen.

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Wer sich für das anstrengende Auf- und-Ab der Straßen belohnen möchte, trinkt auf der Terrasse des Hotels Brufani einen vom Barkeeper frisch gemixten Aperitivo und genießt die Aussicht. Es gibt auch phänomenale nicht-alkoholische Cocktails, die nach Wunsch gemixt und vom aufmerksamen und freundlichen Ober serviert werden. Großartig.

Corso Cavour

Sehr unterschiedliche Sehenswürdigkeiten reihen sich am Corso Cavour. Kurz vor dem Corso kommt man durch die Porta Ercolano und an der Chiesa di Sant’Ercolano vorbei. Ein Stück weiter im Corso beginnt der Borgo Bello. Anwohner haben sich zusammengetan, das Viertel zu verschönern und attraktiver zu gestalten. Hier öffnen sich mittelalterliche Gassen, die gepflegt und mit Blumen geschmückt sind (z.B. die Via Fiorenzuola, die Via Colomba, die Via Gismonda oder die Via Gmella). Bei Nr. 134 ist ein kleiner Durchgang, in dem Plakate an einen hier früher angesiedelten Brennofen erinnern, in dem Haus-Dekorationen hergestellt wurden.

Geht man den Weg etwas weiter, kommt man zu einem Haus, das noch solche Dekorationen trägt. Zurück am Corso kommt San Domenico, die größte Kirche nach dem Dom mit beeindruckendem Chorfenster, das zu den größten Italiens zählt. Für Interessierte gibt es eine sehenswerte Innenausstattung (Rosenkranzkapelle mit großer bemalter Altarwand und Skulpturen, das Grabmal des Stifters, Benedikt XI und ein großes Chorgestühl).

Nebenan liegt das Archäologische Museum mit sehenswerten etruskischen und römischen Ausstellungsstücken. Am Ende der Straße kommt die Porta San Pietro, danach eine der ältesten Kirchen der Stadt, San Pietro, mit antiken Überresten und einem schönen Garten daneben. Die Innenausstattung lohnt einen Besuch: riesige Leinwandgemälde, u.a. von Perugino, Fresken im Presbyterium, ein Chorgestühl, das als eines der kostbarsten Holzschnitzereien des 16. Jahrhunderts gilt. Schließlich endet der Sparziergang an der Porta San Constanzo.

Praktisches

Parkplätze: Es gibt eine ganze Reihe von Parkplätzen außerhalb der Mauern, z.T. sogar kostenlos oder für wenige Euro am Tag . In der Stadt gibt es große Höhenunterschiede. Man sollte also gut zu Fuß sein. Das macht auch den Reiz der Besichtigung aus.

Museen: Die Galleria Nazionale ist derzeit geschlossen.

Bars und Cafès:

  • Dal Perugino: wer sich vor dem kräftigen Barbesitzer nicht fürchtet, kann einen wunderbaren Caffè auf einer kleinen Terrasse des Dal Perugino an der Piazza Giacomo Matteotti, genießen, einen Steinwurf von der Piazza IV Novembre entfernt. Gleich um die Ecke, in der Via Augusta im Untergeschoss auf der Rückseite eines Palazzos war die Werkstatt von Luisa Spagnoli, der Erfinderin der Baci. Heute ist hier Hinterhofatmosphäre und ein Parkhaus.
  • Baglioni: Via Baglioni 30, eine typische Bar mit wenigen Plätzen auf der Straße und leckerem Kaffee
  • Arco: Via Maestà delle Volte 11

Eis:

  • Bio-Eis: Corso Vannucci 93 (der Geschmack wird manchmal vom guten Gefühl, ein Bio-Eis zu essen, übertroffen)
  • GROM: Ecke Via Giuseppe Mazzini und Piazza Giacomo Matteotti (wer sich schlecht entscheiden kann, sollte die Gelateria meiden, es gibt irgendwie alle Sorten, die man sich denken kann). Ein wirklich perfektes Eis und eine beeindruckende Firma. Wer eine passende italienische Reiselektüre sucht: Federico Grom, Guido Martinetti; Grom: Storia di unamicizia, qualche gelato e molti fiori, Verlag Bompiani, oder man schaut sich die Kurzform – in deutsch – auf der Webseite an.
  • Gambrinus: Via Luigi Bonazzi 3

Restaurants: Die Qualität ist in vielen Restaurants sehr gut und der Service aufmerksam

  • Storie Peurgine; Corso Cavour 46
  • Taverna: Via delle Streghe, 8
  • Luce: gehoben, nur abends, keine Außenplätze: Via Ulisse Rocchi, 18

Informationen


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