Italienische „Institutionen“

Italien – was ist typisch, womit verbindet man das Land, wo spiegelt sich das italienische Lebensgefühl wider? Hier beschreibe ich einige der italienischen „Institutionen“ (außer Pizza, Pasta und Sophia Loren).

Viel Vergnügen! Auch hier gilt: ich bin dankbar für Ihre Anregungen!

Die Bar

1. Begleitung über den Tag

Die Bar begleitet über den Tag. Sie ist regelmäßiger Treffpunkt und vereint Jung und Alt, Kostüm- und Anzugträger*innen, Arbeiter*innen, Müßiggänger*innen…

Ein schnelles Frühstück (Capuccino und Brioche oder Cornetto), eine Kleinigkeit zu Mittag (Salat oder angewärmte Panini), den Aperitivo am Nachmittag und vielleicht noch einen Grappa oder Wein nach dem Abendessen, oder einen Espresso zwischendurch. Die Bar sorgt für alles.

Am Morgen haben die Leute es meist eilig. Noch schnell das Minifrühstück, bevor es zur Arbeit geht. Aber Zeit für einen Plausch ist immer. Auch diejenigen, die nur zwischendurch einen Caffè nehmen, sind nicht lange in der Bar. In der zweiten Tageshälfte ist mehr Zeit.

Man steht gewöhnlich am Tresen. Dort ist der Treffpunkt. Man möchte diejenigen sehen, die man regelmäßig trifft, aber auch selbst Präsenz zeigen. Gesprächsthemen finden sich sofort. Die Bar schafft also seelisches Gleichgewicht. Die Einstimmung in den Tag, die Entspannung in der Mittagspause, die Möglichkeit, Dampf abzulassen am Nachmittag, einen beschaulichen Ausklang am Abend. Am Nachmittag stehen die Leute auch vor der Bar und unterhalten sich in kleinen Grüppchen.

Bolgona
Perugia

2. Das Ambiente

Schon die Geräusche vermitteln das italienische Gefühl. Das Klirren der Tassen und der Löffel, die auf die Untertasse geworfen werden, die Mahlgeräusche, das Ausklopfen des Siebträgers und das Zischen des Dampfes. Und darüber die Unterhaltungen der Gäste.

Die/der Barista ist eher wortkarg. Sie/er zelebriert ihre/seine Kunst, den Caffè zu brühen und bewahrt auch in der größten Hektik die Ruhe. Beeindruckend ist die meist riesige Espressomaschine. In größeren Bars sind Kasse und Theke getrennt. Man kauft den Scontrino und gibt ihn der/dem Barista.

Die Ausstattung der meisten Bars ist spartanisch. Der Tresen mit einer kleinen Vitrine für Süßes und Pannini, die Kaffee-Maschine und eine Galerie mit alkoholischen und alkoholfreien Getränken. Vielleicht noch ein oder zwei kleine Tische vor der Tür. Das ist häufig schon alles.

Das gibt es natürlich auch größer, mit Sitzplätzen im Inneren, einer Reihe von Tischen mit Sonnenschirmen vor der Bar. Und schließlich gibt es die großen, historischen und berühmten Bars.

Venedig
Triest
Perugia

3. Der Caffè

Welchen Caffè gibt es? Cappuccino am Morgen (und nur dann), Espresso, vielleicht noch einen Espressino (ein Espresso mit etwas Milchschaum und Kakao) oder einen Macchiato. Das ist das Kern- Angebot.

Dazu gibt es vielleicht noch einen Lungo, einen entkoffeinierten Kaffee, oder einen Caffè correto mit Alkohol (z.B. Grappa oder Sambuca). Man bestellt den Espresso übrigens mit „fammi un caffè per favore“ und nicht „un espresso per favore“. Und noch eine Feinheit: der Plural von caffè ist auch caffè, genauso ist der Plural von espresso auch espresso. Wer also schon Espresso bestellt, sollte mehrere davon mit due/tre.. espresso bestellen.

Hier ist sind jetzt ein paar Worte zum Espresso notwendig. Die erste Espressomaschine wurde 1884 in Turin gebaut. Patentiert wurde sie 1901 von Luigi Bezzera. Der Vorteil: Schnelligkeit. Was ist das Besondere am Espresso? Der Kaffee wird langsam geröstet, fein gemahlen, im Siebträger verteilt und festgedrückt. Und das Wasser soll 25 sec. durchlaufen. Dann sind die Aromastoffe in der Tasse, Bitterstoffe und auch große Teile des Koffeins bleiben zurück.

Heiß, mit dicker Crema, stark und eigentlich ohne Zucker muss er sein. So wird er in den Bars gebraut. Der erste Espresso auf der Reise nach Italien – da weiß man, dass man angekommen ist. Er schmeckt einfach unverwechselbar. Es gibt allerdings Unterschiede. Im Süden ist der Caffè eher stärker geröstet, es dominiert die Sorte Robusta. Manchmal eine etwas bittere Angelegenheit. Typischer Vertreter in den Bars im Süden ist der Kimbo-Kaffe. Je weiter man nach Norden kommt, umso weniger bitter ist der Caffè, dafür hat er etwas mehr Säure.

An der Bar muss es schnell gehen. Deswegen ist keine Zeit, Bohnenvarianten, Brühtemperatur, Mahlgrad und Durchlaufzeit untertags zu ändern. Für Kaffee-Kunst-Enthusiasten nicht das Optimum. Auffällig ist, dass die Welle der Kaffee-Kunst erst sehr langsam durch Italien schwappt.

Ai Savoia - Caffetteria e Sala da tè, Turin

Das hat seinen Grund. Die Barbesitzer sind von drei Seiten eingerahmt: einmal die großen Röster, die Exklusivverträge mit den Bars machen und wie Brauereien auf den Umsatz achten. Dann die Regelungen und Kundenerwartungen, dass ein Espresso an der Bar (Espresso al banco) nicht mehr als 1 Euro kosten darf. Damit werben Cafès auch, wie man auf dem Foto des Eingangs der Ai Savoia – Caffetteria e Sala da tè in Turin sieht. Und schließlich die Tradition, die vorschreibt, wie ein Espresso zu sein hat.

Aber es gibt sie schon, die Kaffeespezialisten. Z.B. in Mailand: Tra le Righe (Via Teodosio 44), Nowhere (Via Caminadella 15), Bar Affori (Via Astesani 15), Il Cafetero (Via Rembrandt 12).

Ein Beispiel für italienischen Erfindungsreichtum? Es gibt einen Hersteller, mit dessen Röst-Vorrichtung Bohnen mit Sonnenlicht geröstet werden. Das Sonnenlicht wird mit Spiegeln gebündelt und auf die Bohnen gerichtet. Abgesehen von der Herstellung der Röst-Vorrichtung, wird keine Energie für das Rösten verbraucht.

4. Die Speisen

Manche Bars bieten Berufstätigen ein Mittagessen, das vom Arbeitgeber mit den „Tickets“ unterstützt wird. Hier gibt es dann auch mehr Gerichte, im Süden z.B. Arancini.

Zum Aperitivo am Nachmittag oder am Abend reichen einige Bars nicht nur Kleinigkeiten, wie Erdnüsse, Oliven oder Chips zum Getränk, sondern Kunstwerke aus kleinen Antipasti und Tramezzini, die Stuzzichini, benannt nach den Spießchen. Diese Speisen genügen zum satt werden und sind meistens im Preis der Getränke inbegriffen.

Arona, Lago Maggiore

5. Der Aperitivo

Mit Aperitivo ist nicht nur das Getränk gemeint, das alkoholisch oder alkoholfrei sein kann. Aperitivo umfasst auch die kleinen Speisen und im erweiterten Sinn das gesellige Beisammensein.

Manchmal gibt es sogar ein Buffet und Aperitivo und Abendessen verschmelzen zum Apericena.

Palazzo Asinari

Das Getränk kann ein Aperol sein, ein Martini, ein Spritz, ein Negroni oder ein alkoholfreier Bitter (in rot Bitterino, in gelb Crodino). Es wird aber auch Wein oder Prosecco ausgeschenkt. Der Aperitivo soll Ende des 18. Jahrhunderts in Turin erfunden sein, und war damals ein Wermut. An einem Palast in der Via Maria Vittoria 4 weist ein Schild darauf hin, dass hier einst eine Wermutfabrik angesiedelt war.

1786 erfand Antonio Benedetto Carpano seinen ersten Wermut. 1847 ging das Geschäft an Giuseppe Bernardino, den Gründer der Fabbrica di Liquori e Vermouth G.B. Carpano. Ende des 19. Jahrhunderts war Carpano einer der größten Wermutproduzenten im Piemont. 1940 wurde das Geschäft an die Turati-Industriellen aus Turin verkauft und 1946 wurde der Hauptsitz in das Gebäude der Asinari di San Marzano in der Via Maria Vittoria 4 verlegt. 1982 wurde die Marke an die Firma Branca verkaufte, die die Produktion nach Mailand verlegte.

Der Palazzo wurde ursprünglich zwischen 1684 und 1686 vom Architekten für Markgraf Asinari von San Marzano gebaut.

6. Süsses

In jeder Bar gibt es Süssgebäck. Sfogliatelle (gefüllte Blätterteigtaschen, ursprünglich aus Neapel), alle Arten Mandorlini (Mandelgebäck), rumgefülltes Gebäck (Babà), Amaretti…. Und auch – gerne schon zum Frühstück – kleine Kuchen.

Es gibt auch Eis, meistens aus der Kühltruhe (z.B. einen Tartufo), manchmal auch selbst Hergestelltes oder von einem Eiscafè Geliefertes.

7. Besonderes

Eine Besonderheit gibt es in Neapel: den Caffè sospeso. Typisch neapolitanisch ist das selbst organisierte Solidarität. Man kann für weniger Begüterte einen Caffè spendieren. Der Scontrino für diesen Caffè wird häufig irgendwo in der Bar aufgehängt. Der Caffè wird dann auf Anfrage ausgeschenkt. Die/der Barista ist die/der Wächter:in über die richtige Verwendung des Caffè sospeso. Auf Netflix gibt es sogar eine Dokumentation darüber, wie sich der Caffè sospeso bis nach Amerika verbreitet hat.

Luciano de Crescenzo (bekannt durch „Also sprach Bellavista“) hat ein Buch darüber geschrieben (erschienen bei Mondadori), das es auch in einer deutschen Übersetzung gibt (Espresso mit Herz, dtv). Ein Beispiel aus Detroit ist hier: Sister Pie. Auch bei Starbucks gab es einmal eine Initiative dazu. Inzwischen gibt es auch einen spendierten Coronatest (tampone sospeso) in Neapel – und in Mailand.

La Republica hat berichtet, dass ein Gast seinen Caffè mit 50 Euro bezahlt hat und den Rest der Bar für den Verdienstausfall während des Corona-Lockdowns spendert hat. Und auch in Köln gibt es das: Café easylivin in der Thieboldsgasse. Eine komplette, aber nicht mehr ganz aktuelle Liste findet sich hier: https://suspendedcoffee.de/shops/liste/

Rom
Venedig

8. Literatur und Film

Stefano Benni hat in den 70ern ein Buch über die Bar und seine Besucher geschrieben (Bar Sport,  Mondadori, 1976) und 1997 ein Folgebuch (Bar Sport Duemila, Feltrinelli 1997). Er beschreibt sehr humorvoll die Typen und Geschichten rund um eine Bar.

Ganz neu (2023) ist das Buch von Marco Balzano, das die Menschen in einer Bar in Mailand zum Gegenstand hat. Federico, ein Arzt, will in der Pandemie allein sein, Serena leidet unter dem Älterwerden, Giuliano möchte gerne wieder als Missionar tätig sein, Ahmed ist auf der Durchreise und will eine alte Freundin treffen…

Das Buch Bar Sport wurde 2011 auch verfilmt.

In der Komödie La banda degli onesti (die Bande der Ehrlichen) von 1956 über ehrliche Bürger, die zu Münzfälschern werden, unterhalten sich zwei Herren, dargestellt von Toto und Peppino de Filippo, in einer Bar über den Kapitalismus. Die Bar, aus der die beiden Herren herauskommen, ist in Rom an der Ecke der Via Urbana, beim Eingang zur U-Bahn (Piazza della Suburra). An der Stelle ist heute ein Kaffee-Röster.

Ein Beispiel, in dem eine Bar als Drehort dient. Der Film Allacciate le cinture spielt im Caffè italiano in Lecce.

9. Triest

Das Thema Bar und Cafè wäre nicht vollständig, ohne Triest zu erwähnen. Lange dem Habsburger-Reich zugehörig, hat sich dort die Kaffeehaus-Tradition erhalten. Es gibt also nicht nur besonders schöne Cafès, sondern auch eine Fülle unterschiedlicher Zubereitungsarten von Kaffee. Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings auch, dass die ganz große Zeit, in der Literaten und Revolutionäre Stammkunden waren, inzwischen vorbei ist. Die großen Namen sind u.a. San Marco, Specchi, Tommaseo, Stella Polare, Torinese oder Urbanis.

Cafè San Marco, Triest
Cafè Urbanis

10. Turin

Triest erwähnen und Turin nicht? Geht nicht.

In Turin gibt es eine ganze Reihe besonderer Cafés und auch lokale Kaffee-Spezialitäten und es ist der Firmensitz von Lavazza.

Die Kaffeekultur in Turin hat eine lange Geschichte, die bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht. Der erste Kaffee, der nach Turin gebracht wurde, kam aus Konstantinopel (Istanbul) und wurde von den reisenden Händlern importiert. Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Konsum von Kaffee in der Stadt und es entstanden zahlreiche Cafés, die zu Treffpunkten für Künstler, Intellektuelle und Politiker wurden.

Im 19. Jahrhundert erlebte Turin einen großen wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwung und die Cafés wurden zu wichtigen Orten für politische Diskussionen und kulturelle Aktivitäten. Es wurden neue und luxuriöse Cafés gebaut, die mit eleganten Möbeln, Wandgemälden, Marmorböden und Kronleuchtern ausgestattet waren.

Einige der bekanntesten traditionellen Cafés von Turin sind:

Caffè Fiorio, Turin

Fiorio: Das Café Fiorio wurde 1780 eröffnet und ist eines der ältesten Cafés von Turin. Es befindet sich im Herzen der Stadt (in der Via Po 8/C) und hat eine lange Geschichte als Treffpunkt für Intellektuelle, Künstler und Politiker.

`Cafè San Carlo

San Carlo: ursprünglich „Caffè di Piazza d’Armi“ (heute Piazza San Carlo), wurde 1822 gegründet und war ebenfalls Treffpunkt von Intellektuellen und Künstlern. Anders als im Cafè Fiorio, trafen sich hier aber eher die zukunftsgewandteren und auch kritischen Geister und diskutierten den Risorgimento. Was dazu führte dass das Cafè mehrmals von den Behörden geschlossen wurde. 1837 wurde das Cafè renoviert und öffnete wieder unter dem Namen Caffè Vassallo.

Hier trafen sich u.a. Giovanni Giolitti (Politiker und mehrfacher Präsident des Ministerrats), Francesco Crispi (Revolutionär, Staatsmann und Politiker), Alexandre Dumas der Jüngere, Antonio Gramsci und Admiral Cagni (der zusammen mit Luigi Amedeo di Savoia-Aosta, 1899 eine Expedition zum Nordpol unternahm). 

Im 20. Jahrhundert wurde das Cafè schließlich in „Caffè San Carlo“ umbenannt. Es war das erste Cafè in Europa, das mit Gaslampen erleuchtet war.  Benedetto Croce (Philosoph, Humanist, Historiker, Politiker, Kunsthistoriker), Edmondo De Amicis (Schriftsteller), Luigi Einaudi  (Finanzwissenschaftler und von 1948 bis 1955  Staatspräsident, sein Sohn Giulio war Gründer des Verlages Einaudi), Piero Gobetti (Publizist und Politier), Francesco Pastonchi (Dichter und Journalist), Felice Casorati (Maler) und die Gruppe der 6 (Maler, auch Sei di Torino) waren hier Gäste.

Während des zweiten Weltkrieges wurde das Cafè stark beschädigt und erst 1963 nach langer Restaurierung wieder eröffnet.

Caffè Torino, Piazza San Carlo, Turin

Torino: Ein weiteres bekanntes Café, ebenfalls an der Piazza San Carlo, ist das Caffè Torino, das im Jahr 1903 eröffnet wurde.

Caffè Torino, Piazza San Carlo, Turin
Caffè Mulassano, Turin

Mulassano: Der Gründer des Cafès, Amilcare Mulassano, eröffnete in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Weinladen in der Via Nizza 3 und besaß auch die Distilleria Sacco, die Minzsirup herstellte. Im Jahr 1907 wurde das Geschäft dann an die zentralere Piazza Castello verlegt, einen Standort, den es seitdem nicht mehr verlassen hat. Im Laufe der ersten Jahre wurde das Lokal zu einem Café.

Caffè Al Bicerin, Turin

Al Bicerin: Al Bicerin, 1763 eröffnet, ist ein kleines Café an der Piazza della Consolata, in dem die Bicerin-Kaffeespezialität, die aus Espresso, Schokolade und Sahne besteht, erfunden wurde. Da es in jedem Reiseführer in den Top Ten der Sehenswürdigkeiten steht, findet man in der Saison schwer einen Platz. Wenn man einen ergattert, ist es aber ein Traum, auf der kleinen Piazza in der Sonne zu sitzen und den Bicerin und vielleicht noch ein paar Süßigkeiten zu genießen.

1763 eröffnete der „Acquacedratario“ (Hersteller von Zitronen-Wasser), Giuseppe Dentis, einen Laden gegenüber der Kirche Consolata. Das heutige Gebäude stammt von 1856.

Der Erfolg kam mit der Erfindung des Bicerin, einer Weiterentwicklung der „Bavareisa“, diie aus Kaffee, Schokolade, Milch und Sirup zubereitet wurde.

Der Name Bicerin kommt von den kleinen Gläsern ohne Henkel, in denen er serviert wurde.

Der Standort gegenüber der Wallfahrtskirche Consolata war hilfreich. Der Bicerin war der ideale Muntermacher für die Gläubigen, sobald sie aus der Kirche kamen. Auch in der Fastenzeit war der Bicerin sehr beliebt, denn heiße Schokolade galt nicht als „Lebensmittel“ und konnte daher mit gutem Gewissen während der Fastenzeit konsumiert werden.

Graf Cavour zählte zu den Gästen des Al Bicerin.

Damals waren die Cafés ausschließlich Männern vorbehalten. Das Bicerin wurde allerdings bald nach der Gründung von Frauen geführt. Die Lage gegenüber der Kirche machte es ebenfalls zu einem beliebten Ziel für weibliche Kunden, die sich in der besonderen Umgebung sicher und wohl fühlten.

Bekannt waren die Damen der Familie Cavalli, die sich in den 70ern des letzten Jahrhunderts liebevoll und fürsorglich um ihre Gäste kümmerten. Martiè  Costa schließlich machte das Cafè über die Grenzen von Italien hinaus bekannt. Heute wird das Cafè immer noch von der Familie geführt.

Caffè Università, Via Po

Caffè Universita: Das Cafè ist ebenfalls eines der ältesten Cafés in Turin (gelegen in der Via Po 4 D), das seit über einem Jahrhundert besteht. Es ist ein Ort für den AperiCena – und auch für AperiPranzo.

Bagna caöda („warme Sauce“, ein typisches Gericht aus dem Piemont, bei dem rohes und gekochtes Gemüse in eine warme Soße aus Olivenöl, Sardellen und Knoblauch gestippt wird), Vitello tonnato, Tomini (kleiner Käse aus dem Piemont) sind Gerichte, die angeboten werden.

Baratti & Milano

Baratti & Milano: Zwei Konditoren eröffneten 1858 in der heutigen Via Garibaldi eine Konditorei. Ferdinando Baratti kreierte die „Cremino“-Pralinie, die später mit der Gianduiotto zu Klassikern wurden. 1875 zogen sie in die heutigen Räume in der Galleria Subalpiani um. Das Café wurde bald zu einem beliebten Treffpunkt von Intellektuellen wie D’Azeglio, Giolitti und Luigi Einaudi. Außerdem wurde das Unternehmen zum Hoflieferanten ernannt (das klang dann so: „Azienda fornitrice ufficiale della Real Casa“).

1909 wurde renoviert, und erweitert. 1948 wurde das Café nach einer weiteren Restaurierung wiedereröffnet, nachdem es 1944 durch einen Bombenangriff beschädigt worden war.

Heute gehört die Marke der Elah Dufour Novi Gruppe, ein Süßwarenunternehmen in Novi Ligure.

Das Cafè ist sehr vornehm, der Service zuvorkommend und die Preise sind entsprechend.

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11. Die Bars in Zahlen…

…lt. Jahresbericht 2023 der Confcommercio (Gesamtverband der Unternehmen, der freien Berufe und der Selbstständigen) „RISTORAZIONE Rapporto Annuale“.

Es gibt 136.000 Bars in Italien, das sind 2,3 je 1.000 Einwohner. In Deutschland gibt es bei großzügiger Rechnung etwa 0,2 Cafès und Bars je 1.000 Einwohner. Die meisten Bars pro Einwohner gibt es in Ligurien, im Aostatal (je 3,4/1.000), Kampanien und Abruzzen.

Zwei Drittel der Bars haben 6 Tage pro Woche geöffnet, knapp ein Drittel die ganze Woche. Die meisten Bars (über 70%) haben den ganzen Tag geöffnet.

Die Kund:innen kommen hauptsächlich zum Frühstücken in die Bar, deshalb sind viele schon um 7:00 Uhr, oder sogar früher geöffnet.

Die Betreiber der Bar arbeiten in der Regel selbst dort (über 90%), viele Bars werden nur vom Betreiber bzw. dessen Familie bewirtschaftet.

Das heißt, Barbetrieb ist ein hartes Geschäft mit langen Arbeitszeiten.

12. Welche Bar in welcher Stadt

Hier sollen nicht Cafes wie das Camparino, Florian, della Pace oder Gambrinus beschrieben werden, sondern besondere Orte mit Flair, und natürlich gutem Caffè.

Die Liste fängt mit wenigen Bars an.

Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir typische Bars nennen könnten.  Schreiben Sie mir eine Mail oder nutzen Sie das Formular auf der Kontaktseite.

Rom: Die Caffetteria-Bistrot Chiostro del Bramante ist eigentlich keine richtige Bar. Dafür stehen die Tische und Stühle im ersten Stock des Kreuzgangs einer Kirche (Via Arco della Pace 5, Chiesa di Santa Maria della Pace, nicht weit von der Piazza Navona). Ein Ort der Ruhe mitten im römischen Trubel.

Eindeutig den besten Kaffee gibt es im Eustachio (Piazza Sant’Eustacchio 82). Drinnen sieht es aus wie in einem Supermarkt (und die Webseite wie ein Shop), weil der Kaffee verkauft wird. Draußen ist es schöner, aber auch doppelt so teuer.

Eigentlich auch keine ganz richtige Bar ist das Caffè Doria, das zum Museum Doria Pamphilij gehört. Es geht recht distinguiert zu an den kleinen Tischen mit den ehrwürdigen Bildern im Hintergrund.

Florenz und Toscana

Florenz: Caffè Scudieri, direkt am Baptisterium (Piazza di San Giovanni). Man sitzt draußen auf einem kleinen Podest unter riesigen Sonnenschirmen, aus denen im Sommer Wasser versprüht wird und kann das Treiben auf dem Platz genießen. Mit Glück gibt es gerade eine Parade. Drinnen ist es altehrwürdig – und an der Bar deutlich günstiger.

Turin: In Turin Bars hervorzuheben, ist eigentlich nicht möglich, dafür gibt es zu viele.

Einen Besuch lohnt in jedem Fall das Caffè Galleria in der Galleria Umberto I, direkt am großen Markt der Piazza Repubblica. Von einem Ehepaar geführt, mit leckerem Ghigo-Kaffee und schon am Morgen mit einem großen Angebot an Kuchen und Gebäck. Das Cafè öffnet früh (Mo bis Fr um 7:00, Sa um 6:00 Uhr). Man trifft also die Frühaufsteher, die zur Arbeit gehen und die Marktleute. Man wird sehr freundlich umsorgt und schon nach dem zweiten Besuch als Stammkunde behandelt. Der Ghigo-Kaffee stammt von einem Familienunternehmen aus Bra/Cuneo. Kurioserweise gibt es einen Kaffee-Händler in Colorado/USA (Amante Coffee), der diesen Kaffee nach Amerika importiert.

Vorne Bar, hinten ein etwas plüschiges Cafè mit gelben Spitzen-Deckchen und Hirschgeweih an der Wand: Ai Savoia. Es gibt dort den besten Bicerin mit echter geschmolzener Schokolade, mit einer leichten Bitternote vom erkennbar guten Expresso und mit einem kleinen Sahneberg. Deutlich besser, als in manch anderem Cafè mit großem Namen. Und Süßgebäck, das keine Wünsche offen lässt. Und der Service ist großartig. Hier ist die Zeit auf äußerst angenehme Art stehen geblieben. An kalten Tagen brennt ein Feuer im Ofen. Sehr behaglich.

Bar und Cafè ist das Pepe in der Via della Rocca, 19, am kleinen Park Piazza Maria Teresa, 300m von der Piazza Vittorio Veneto. Hier gibt es zum Frühstück nicht nur Süßes sondern auch kleine belegte Brote, mittags kleine Gerichte und am Abend natürlich Aperitivo. Es gibt Plätze unter den Bäumen des kleinen Parks. Da will man gar nicht mehr weg.

Neapel

Ein Muß ist die Bar „Il vero Bar del Professore„, nahe beim Cafè Gambrinus. Draußen – bei der Lage – etwas touristisch, dafür drinnen authentisch. Besonders ist der Kaffee-Schaum aus Zucker und Kaffee, den der Barista in riesigen Schüsseln selbst anrührt. Auf Nachfrage erklärt er bereitwillig die Vorgehensweise. Der Schaum wird dann auf den Espresso gegeben. Spezialität ist der caffè a nocciola. Zusätzlich zum Kafee-Creme gibt es noch Nuß-Creme auf den Espresso. Großartig.

Cafè Ai Savoia Turin
Cafè Ai Savoia Turin
Cafè Ai Savoia Turin

Köln: ja, auch in Köln gibt es typische italienische Bars, ohne Chi Chi und in der Hand von Italienern, die meisten davon, wenig überraschend, in der Südstadt.

  • Angelo Di Fini Cafe Espressino, Neusser Str. 2, hier kann man entspannt dem Treiben an der Neusser Strasse zusehen. Leckerer Kaffee, viele Sorten Süsses (z.B. Sfogliatelle, Cannoli, weiche Amaretti…), super belegte Sandwiches, drinnen und draußen Plätze. Sehr sympathischer Service. Ein echter Familienbetrieb.
  • Bar Formula Uno, Zugweg 2, im Inneren eine echte Bar, draußen schöne Plätze und im Sommer Public Viewing
  • Ludari, Severinstr. 50b, vorne eine Bar, hinten ein langer Tisch wo es in der Woche mittags Leckeres zu Essen gibt (am Wochenende auch abends), außerdem gibt es Delikatessen und Weinverkauf, wenige Plätze draußen
  • Sport Bar Italia, Ohmstr. 8, Little Italy von Köln (nicht zu verwechseln mit dem Restaurant Little Italy gegenüber)
  • Al Baretto, Palanter Str. 3f in Sülz, eigentlich ein Cafè, in dem man sehr deutsch frühstücken, mittags essen und am Nachmittag Kuchen bekommen kann, trotzdem mit viel italienischem Flair, wenige Plätze draußen
Maratea

Die Oper

Quelle: Wikipedia, Jean-Christophe BENOIST

Während der ersten Coronawelle orchestrierte der Dirigent Giovanni Mirabile den Gefangenen-Chor aus Verdis Nabucco. Jeder Sänger nahm seinen Part zu Hause auf dem Handy auf und danach wurden alle Beiträge zu einem Chor zusammengeführt. https://www.youtube.com/watch?v=GGdC1bwg1Kk

Dieser Chor wurde nicht umsonst gewählt, gilt er doch als heimliche Hymne Italiens und begründete einst den Erfolg von Guiseppe Verdi. Die Oper wurde 1842 in der Mailänder Scala uraufgeführt. Die Stadt gehörte damals, nach der Entscheidung im Wiener Kongress, mit der gesamten Lombardei und Venetien zu Österreich. Deshalb wurde der Text als Freiheitshymne verstanden:

Va, pensiero, sull’ali dorate;
va, ti posa sui clivi, sui colli,
ove olezzano tepidee molli
l’aure dolci del suolo natal!….

Flieg, Gedanke, auf goldenen Schwingen,
lass dich nieder auf jenen Hängen und Hügeln,
wo sanft und mild der wonnige Hauch
der Heimaterde duftet.

Erst 1859, nach der Schlacht von Solferino fiel die ganze Lombardei an Sardinien-Piemont und damit an Viktor Emanuel II. Dies war der Anfang des Königreichs Italien und des Risorgimento. 

Bei der Überführung von Verdis Leichnam in die Gruft der Casa di Riposo sang der Trauerzug mit angeblich 300.000 Teilnehmern den Gefangenen-Chor.

Oper war damals nicht nur musikalischer Genuss und emotionales Kunstwerk, sondern hoch politisch. Das erklärt vielleicht auch, warum Oper in Italien einen so hohen Stellenwert hat und als typisch italienisch betrachtet wird.

Bei genauer Betrachtung ist es wohl so, dass die politische Interpretation erst deutlich nach der Uraufführung, vielleicht gegen Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte. Verdi widmete die Oper einer habsburger Prinzessin, die Österreicher hatten noch den Daumen auf der Scala und hätten wohl kein anti-österreichisches Stück zugelassen. Falls die Oper zu Beginn revolutionäres Potenzial gezeigt hätte, wären Wiederaufführungen in Venedig oder in Wien wohl nicht erlaubt worden. Vor 1848 waren vermutlich auch Verdi revolutionäre Gedanken eher fern.

Geschichte

Italienische Institutionen

Wer hat‘s erfunden? Die Italiener. Eine Gruppe von Musikern, Philosophen, Schriftstellern und Adligen in Florenz wollte die antiken Dramen neu beleben und war der Auffassung, dass die Texte gesungen werden sollten. Es entstand um 1600 Vokalmusik mit kleiner instrumenteller Begleitung. Einen großen Schritt in Richtung Oper ging Claudio Monteverdi, der die Instrumentierung deutlich vergrößerte.

Er war damals am Hof von Mantua und wurde 1613 Kapellmeister des Markusdoms in Venedig. Dort entstand auch das erste öffentliche Opernhaus. Ein zweites Opernzentrum wurde Neapel. Das Publikum in Venedig waren hauptsächlich Bürgerliche, Neapel wurde von den Adligen dominiert. Das dritte Zentrum war Rom.

Im 18. Jahrhundert bildeten sich zwei Operntypen heraus, die Opera seria und die Opera buffa. Und es entstand das Pasticcio – eine wilde Mischung von Arien und Ausschnitten von Opern, um mit begrenzten Opernkompagnien die steigende Nachfrage nach Aufführungen zu bedienen.

Die italienischen Opernkomponisten des 18. Jahrhunderts sind heute weniger bekannt (u.a. Alessandro Scarlatti, Pergolesi). Im 19. Jahrhundert geht es los: Rossini, Bellini, Donizetti. Und dann kam Verdi. Und schließlich Mascagni und Puccini.

Mit der „Vormacht“ Italiens in der Musikgeschichte erklärt sich auch, dass viele Begriffe heute noch italienisch sind. Und dass die meisten Libretti von Italienern geschrieben wurden.

Opernhäuser

Auch weniger passionierte Opernfans kennen sie alle: La Scala, La Fenice, Tetro San Carlo, Teatro dell’Opera, oder die Arena von Verona.

La Scala, Mailand

La Scala

Maria Theresia ließ La Scala bauen (an dem Platz der dafür abgerissenen Kirche Santa Maria alla Scala, deshalb der Name). Mailand und die Lombardei gehörten damals zu Österreich. Das Teatro Regio Ducale, ein Holzbau, der sich an der Stelle des heutigen Palazzo Reale befand, war 1776 abgebrannt. Zur Finanzierung wurden die Logen verkauft und durften nach den Wünschen der Eigentümer gestaltet werden.

Einweihung war 1778 mit Salieris Europa riconosciuta. Nach der Zerstörung im 2. Weltkrieg wurde es 1946 wieder aufgebaut. Von 2001 bis 2004 wurde die Scala umfassend renoviert. Das Innere wurde entsprechend dem Zustand von 1778 wieder hergestellt.

Eng mit der Scala verbunden sind die Namen Bellini, Donizetti, Verdi und Giordano, sowie Maria Callas, die hier als Medea, Norma oder Violetta  brillierte und Anna Netrebko.

Weniger Glück hatte Puccini mit Madama Butterfly. Erst machten die Zuschauer einen Riesenlärm und verließen dann den Saal. Auch Mirella Freni hatte zu leiden. Wegen des vorangegangenen Rausschmisses von Maria Callas verdarben ihr deren Fans den Abend – nur weil sie nicht die Callas war.

Auch der chronisch klamme Mozart hatte kein Glück mit Mailand und der erhofften Anstellung als Hofmusikmeister bei Erzherzog Ferdinand von Österreich, Statthalter der Österreicher in Mailand. Es hatte gut angefangen. Zur Feier der Hochzeit von Ferdinand mit Maria Betrice d’Este wurde der erst 15-Jährige beauftragt, eine Oper zu komponieren (Ascanio in Alba, Uraufführung im Teatro Regio Ducale in Mailand).

Das war schon die zweite Oper nach der erfolgreichen „Mitridate, re di Ponto“, die ebenfalls in Mailand uraufgeführt wurde. Die Uraufführung seiner dritten italienische Oper (Lucio Silla) allerdings floppte. Und so wurde es nichts mit der Anstellung. Vielleicht auch, weil Maria Theresia, etwas genervt von den vielen Versuchen der Mozarts, bei ihr in Lohn und Brot zu kommen, ihrem Sohn in einem Brief von der Anstellung Mozarts abriet.

Die Saison beginnt an Sant’Ambrogio (7. Dezember), dem Schutzheiligen von Mailand.

Die Gegenstände aus der abgerissenen Kirche Santa Maria alla Scala wurden in die Kirche San Fedele gebracht. Deshalb ist diese Kirche die Wallfahrtsstätte der Ballerinas der Scala.

La Fenice (Quelle: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:La_Fenice_auditorium.jpg?uselang=fr)

La Fenice

Auch das Fenice entstand, weil eine andere Oper abgebrannt war. Nach dem Wiederaufbau des Teatro San Benedetto kam es zum Streit zwischen den Betreibern der Oper und den Grundstücksbesitzern, so dass die Betreiber kurzerhand ihre eigene Oper bauten. 1792 war Eröffnung. Der Name sollte an den Brand erinnern und an den freimauerischen Hintergrund der Bauherren (fenice = Phönix).

Mehrere Uraufführungen von Verdi-Opern und des Rings der Nibelungen fanden hier statt. Gespielt wurde zu Karneval, zu Pfingsten und im Herbst. Konkurrenz belebt das Geschäft und so überboten sich die Betreiber der beiden Opern mit dem Engagement der besten Künstler, den aufgeführten Werken und deren Inszenierungen.

1996 gab es ein großes Feuer nach einer Brandstiftung. Der Innenraum wurde ebenfalls nach dem Vorbild vom Ende des 18. Jahrhunderts wieder errichtet und mit einer modernen Bühnenmaschinerie ausgestattet. Wiedereröffnung war 2003, die erste Oper – La Traviata – wurde 2004 gespielt.

Die Baugeschichte ist interessant. Die Ausschreibung, die auch auswärtige Architekten zuließ, verlangte auch den Neubau eines Kanals und einer Brücke, damit die Baumaterialien antransportiert werden konnten. Außerdem sollte das Theater brandsicher sein. Das sollte sich 1996 tragisch beweisen, als es zu wenig Löschwasser gab, da die Kanäle in der Umgebung des La Fenice trocken gelegt waren. Den Wettbewerb gewann Giannantionio Selva.

Selva verstand es, die unterschiedlichsten Anforderungen unter einen Hut zu bringen. Alles sollte berücksichtigt werden, die Tradition, die aktuelle Mode und die Ideen der Aufklärung, zumindest was die Rationalität der Architektur anlangte. Tatsächlich soll es Kontakte des Architekten und einzelner Mitglieder des Gründungskreises zu Vertretern der französischen Revolution und auch zu Voltaire gegeben haben. Das La Fenice hatte also auch deutliche bürgerliche Wurzeln.

1797 eroberte Napoleon Venedig. Die Republik Venedig war damit Geschichte.

Teatro San Carlo, Neapel

Neapel und Rom

Neapels Oper, das Teatro San Carlo ließ Karl III von Spanien bauen, der gleichzeitig Karl VII von Neapel war und außerdem Sohn von Elisabetta Farnese, die wiederum aus der Familie der Chefs von Parma kam. Karl war 1731 Herzog von Parma geworden. Eigentlich ein Zufall. Zur Beschwichtigung der Begehrlichkeiten der Spanier in Italien hatten die Österreicher zugestimmt, dass Karl Herzog von Parma werden könne, wenn der amtierende Herzog kinderlos sterben sollte.

Und das genau geschah. Schon drei Jahre später eroberten die Spanier Neapel – und Karl war König von Neapel und Sizilien. Das war durchaus nicht zum Schaden des Landes. Karl ordnete die Gesetze, begann den Palast von Caserta zu bauen und Pompei und Herculaneum auszugraben. Verheiratet war er mit Maria Amalia von Sachsen.

Die Oper, 1737 eröffnet, ist das älteste Opernhaus Italiens und war mit 3.300 Plätzen lange auch das Größte. Es war Schauplatz vieler Uraufführungen von Rossini, Donizetti, und Bellini. Einer der bekanntesten Sänger war Caruso. Allerdings war das Verhältnis des Publikums zu Caruso nicht ganz einfach. Die Oper teilte das Schicksal mit anderen Häusern und brannte1816 ab, wurde aber in kurzer Zeit wieder aufgebaut.

In Rom wurde die Oper 1880 fertig gestellt und zunächst nach seinem Auftraggeber Domenico Costanzi benannt. Heute heißt sie Teatro dell’Opera di Roma.

Opernaufführungen

In der Saison 2018/2019 wurde La Traviata am häufigsten aufgeführt, gefolgt von Madama Butterfly und Rigoletto.

Allerdings hat Italien inzwischen seine führende Position bei Opernaufführungen verloren. In einer Statistik von Operabase nahm Italien 2015 die 17. Position in Europa ein, gemessen an der Anzahl der Aufführungen je 1 Mio. Einwohner (23,1), weit hinter Estland (70,9), Deutschland (83,1) und Österreich (139,2).

Gianluca Floris, Chef des Berufsverbands für Opernkünstler beklagt in einem Aufsatz von 2020 die mutwillige Zerstörung der Oper (http://www.avantionline.it/gianluca-floris-abbiamo-distrutto-lopera-lirica-italiana/).

Er sieht den Anfang vom Ende im Jahr 1996 mit dem Gesetz, das dafür sorgte, dass die staatliche Unterstützung der Opern reduziert wurde. Oper sei vom „immateriellen kulturellen Erbe nationaler Identität“ zur einfachen „Unterhaltung“ oder „Live-Show“ degradiert worden. Dies führe auch zu einem „Braindrain“ der Wissensträger und Talente aus allen Bereichen der Opernproduktion.

Immerhin nennt das Giornale della Musica bei den besten 10 Opernproduktionen 2019 drei mal italienische (Opera di Roma mit L’angelo di fuoco von Prokofiev, La Scala mit Die ägyptische Helena von Richard Strauss  und das Festival della Valle d’Itria mit Ecuba von Nicola Antonio Manfroce ; https://www.giornaledellamusica.it/articoli/le-10-migliori-opere-liriche-del-2019).

Wenn Sie beim Namedropping mitmachen wollen, hier die berühmtesten italienischen Sängerinnen und Sänger:

Mirella Freni (gest. 2020)
Rita Orlandi Malaspina (gest. 2017)
Renata Tebaldi (gest. 2004)
Maria Maddalena Olivero (gest. 2014)
Katia Ricciarelli (geb. 1946)
Cecilia Bartoli (geb. 1966)
Anna Maria Sarra (geb. 1989)
Veronica Granatiero (geb. 1988)
Rosa Feola (geb. 1987)
Laura Macri (geb. 1991)
Alessandra Mairanelli (geb. 1986)
Luciano Pavarotti (gest. 2007)
Andrea Bocelli (geb 1958)
Giuseppe Di Stefano (gest. 2008)
Gianluca Ginoble (geb. 1996)

Teatro San Carlo, Neapel

Wollen Sie sich etwas Appetit holen?

La Fenice

La Scala

Arena di Verona (für diejenigen, die den Ort lieben, aber weniger die Oper)


Pizzardone

Sophia Loren, Pizza, Pasta… O.k. diese italienischen Institutionen kennt jeder. Aber wie ist es mit dem Pizzardone? Eine römische Institution, die aber nichts mit Pizza zu tun hat.

Wir machen es ein wenig spannend:

Der Name leitet sich vom Zweispitz(-Hut) der römischen Polizei im 19. Jahrhundert ab. Es hat also etwas mit der Polizei zu tun.

Woran denkt man in Rom: ans Kolosseum, an den Vatikan, ans Forum Romanum und an den manchmal etwas chaotischen Verkehr.

Aha: Verkehrspolizist, aber welcher?

Jetzt wissen wir‘s: die berühmten Verkehrspolizisten, z.B.  an der Piazza Venezia, die, wie Dirigenten ein Orchester, den Verkehr am Laufen halten.

Italien kennenlernen

Tatsächlich sind die Pizzardoni also eine Institution. Man sagt den Römern nach, dass sie es mit Verkehrsregeln nicht so genau nähmen und auch auf die Verkehrspolizisten nicht gut zu sprechen seien. Auf ihre Pizzardoni lassen sie aber nichts kommen.

Sie erkennen die Leistung an, stundenlang in den Abgasen zu stehen und die Auto- Moped- und manchmal Fahrradfahrer in Schach zu halten und mit Geduld, Humor und vollem Körpereinsatz den Verkehrsfluss zu lenken.

Wie immer gibt es eine große Geste der Solidarität: La Befana dal Vigile, an dem die Pizzardoni seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts Geschenke von den Passanten erhalten.

Denkmäler wurden den Pizzaroni u.a. in einem Bühnenstück („Pizzardone avvelito“ von  Giggi Zanazzo), in einem Gemälde von Domenico Cucchiari oder im Film „Il vigile“ mit Alberto Sordi von 1960 gesetzt.

Natürlich gibt es die Pizzaroni auch in anderen Städten, wie Verona, Mailand oder Pompei.

Die Stadtpolizei wurde 1870 als Corpo delle guardie di città gegründet. Von 1925 bis 1945 gab es die „Metropolitani“. Sie trugen eine spezielle Uniform für den Dienst an Kreuzungen. Seit 1945 wurden sie noch mehrfach umbenannt und heißen heute „Corpo di Polizia Roma Capitale“. Es darf auch ein Schutzheiliger nicht fehlen: am 3. Mai 1957 proklamierte Papst Pius XII. San Sebastiano zum Beschützer der italienischen Verkehrspolizei.

Im Netz gibt es dazu viel zu sehen:

https://sites.google.com/site/ilpizzardone/home

https://www.youtube.com/watch?v=ZGIq_9XJDmI

La befana del Vigile

https://www.youtube.com/watch?v=UXv0yEyXM_0

https://www.larena.it/media/video/la-befana-del-vigile-1.7028113


Tomaten

Lassen wir Fakten sprechen. Italiener konsumieren 36 kg frische und verarbeitete Tomaten pro Kopf und Jahr. Die Deutschen 27,2 kg. Auch wenn die Spanier die Tomate nach Europa brachten, die erste Beschreibung der Pflanze stammt von einem Italiener – Mitte des 16. Jahrhunderts. Und er erfand den Namen: Pomodoro (eigentlich „pomi d’oro“).
Tomaten sind also eine italienische Institution.

Geschichte

Weil Spanier im 16. Jahrhundert Chefs in Sardinien und Neapel waren, kam die Frucht nach Italien. Cosimo di Medici war der erste, der die Tomaten anbaute. Er war mit der Tochter des spanischen Vizekönigs von Neapel verheiratet. Das könnte erklären, wie er an die Pflanzen kam. Gegessen wurde die Tomate aber wohl erst im 17. Jahrhundert. Bis dahin war sie Zierpflanze, zum Angeben für die Vornehmen.

In Deutschland kam man erst Ende des 19. Jahrhunderts auf den Geschmack. Ein erstes Rezept mit Tomaten stammt aus dem Jahr 1658 vom Hof des Vizekönigs von Neapel. Neapel war das Zentrum für die Tomate. Sie wurde dort früh für Pasta und Pizza verwendet.

Und noch etwas unnötiges Wissen: Tomaten sind botanisch Beeren und gehören zu den Nachtschattengewächsen, von denen viele giftig sind. Deswegen sollte der Stielansatz herausgeschnitten werden. Verwandt ist die Tomate mit der Kartoffel.

Tomaten in Dosen

Italienische Institutionen

Jeder italienische Haushalt hat Dosentomaten vorrätig. Sie sind die Basis für Saucen und alles, wo Tomaten hinein kommen (Pasta, Pizza, Parmigiana, Lasagna, Bolognese….). Ein besonderer Hersteller dieser Dosentomaten ist Mutti. Das erste Besondere: es werden nur Tomaten aus Italien. verwendet, genauer aus der Emilia Romagna und den Nachbarregionen. Italien konsumiert und exportiert deutlich mehr frische und verarbeitete Tomaten, als es produziert. So manche italienische Tomatensauce hat ihren Ursprung in China.

Das zweite Besondere: Mutti unterstützt die Landwirte bei der nachhaltigen Produktion der Tomaten. Und die dritte Besonderheit seit 2020: die Tomaten werden direkt auf dem Feld verarbeitet, mit der Insta Factory. Damit soll der Geschmack der Tomaten optimal erhalten bleiben. Die so produzierten Tomaten „Sul Campo“ lässt sich Mutti natürlich entsprechend in Sondereditionen bezahlen.

Ein anderer, vielleicht noch typischerer Hersteller, ist D’Acunzi. Ein Familienbetrieb, 1958 gegründet von drei Brüdern, in einem Ort in der Region Sarnese-Nocerino (Provinz Salerno) – der Heimat der San-Marzano-Tomaten. Schon früh wurden Tomaten aus der unmittelbaren Umgebung verarbeitet und seit 2010 auch gelbe Tomaten.

Die Webseite des Unternehmens, insbesondere der Teil zur Familiengeschichte, mit alten Familienbildern ist ein echtes Schmankerl!

Hier ein kleiner Führer durch das Supermarkt-Regal:

  • Pelati: geschälte, ganze Tomaten, in der Regel – und am besten – San Marzano. Pelati ist gleichzeitig die Gattungsbezeichnung der  Dosen mit den Tomaten (man sagt also nicht „pomodori in scatola“, sondern einfach „pelati“)
  • Datterini: Datteltomaten, längliche Kirschtomaten mit wenig Kernen und dünner Haut; es gibt sie geschält und manchmal auch ungeschält
  • Polpa: Fruchtfleisch in Stücken
  • Passati: pürierte Tomaten
  • Concentrato: Tomatenmark; manchmal ist angegeben, wie oft es konzentriert wurde
Tomaten

Wenn man sicher gehen, will, dass es italienische Tomaten sind, achtet man darauf, dass dies auf der Dose steht (nicht nur hergestellt in Italien, sondern Tomaten aus Italien). Anbieter, die Tomaten aus Italien verwenden, schreiben das in der Regel auf die Dose, weil es ein Qualitätsmerkmal ist. Sonst greift man besser zu Bio-Ware aus EU-Landwirtschaft.

„Pomodori secchi“ und „U strattu“ – Tomaten und Sonne

Getrocknete Tomaten: Tomaten (am besten San Marzano), Salz und Sonne, das sind pomodori secchi. Auch wenn es ein Werbefilm ist, vermittelt er einen Eindruck der Produktion von getrockneten Tomaten: https://www.youtube.com/watch?v=V9-3gRLGfyU

U strattu: zu dieser sizilianischen Köstlichkeit  „Tomatenmark“ zu sagen, wäre herabwürdigend. Die Tomaten werden zunächst 1 Stunde gekocht und dann passiert. Anschließend werden sie auf einem Holzbrett oder einer Keramikplatte mehrere Tage in der Sonne getrocknet. Der Strattu wird tatsächlich heute noch handwerklich hergestellt. Strattu wird für Pasta verwendet oder zum Kochen von Fleisch.

Strattu (estratto di pomodoro) bedeutet übrigens Extrakt. Ein nettes Video gibt es hier: https://www.youtube.com/watch?v=_e9WX2jnIP4

Italienische Institutionen

Sprüche zu Tomaten

  •  Il pomodoro vuole avere i piedi nell’acqua e la testa al sole – Die Tomate möchte die Füße im Wasser und den Kopf in der Sonne haben
  • Pane e pomodoro mette sangue e colore – Brot und Tomaten geben Blut und Farbe
  • Il pomodore è il condimento di chi no ce l’ha – Die Tomate ist die Würze (der Pep) für den, der sie (ihn) nicht hat.
  • Chi nasce pomodore deve morire conserva – Wer als Tomate geboren wird, muss als Konserve sterben
  • Und noch zwei barzellette: Se il pomodoro non riesce a dormire – perché l’insalata russa  (ein Wortspiel: insalata russa bedeutet „Russischer Salat“ und „der Salat schnarcht“; die Tomate kann also nicht schlafen, weil der Salat schnarcht)
  • Che cos’è un pomodoro? Un frutto che ha un passato davanti a sé! (auch ein Wortspiel Passato heißt „Vergangenheit“ und „passiert“; die Tomate ist also eine Frucht, die die Vergangenheit vor sich hat – oder das Passiert-Sein. Das ist fast so gut oder schlecht wie „Mir sind Tomaten durch das Sieb gerutscht. Passiert.“

Ein Tomatenmuseum gibt es in der Region Parma (Str. Giarola, 11, 43044 Collecchio PR) https://pomodoro.museidelcibo.it/

Rezept

Natürlich darf ein Rezept mit Tomaten nicht fehlen:

Ein etwas abgewandeltes Rezept meiner Schwester aus dem Restaurant Il Mondo in Mainz, im Original nachzulesen in: Christa Aubel, Weiberwirtschaften Rheinland-Pfalz

Pappardelle al ragù

Zutaten für das Ragù:

0,5 kg gut durchwachsenes Fleisch vom Rind, Schwein (Schweinenacken), Lamm, Hirsch oder Wildschwein

1 Zweig Rosmarin, fein gehackt oder 1 TL Rosmarinpulver

1 Zwiebel

700 g geschälte Dosentomaten

3 EL Olivenöl

200 ml trockener Rotwein

1/4 l Wasser

Zubereitung des Ragù

Fleisch in grobe Stücke schneiden, mit Salz, Rosmarin, Pfeffer würzen, Zwiebeln klein schneiden, Tomaten pürieren.

Zwiebel mit Olivenöl in einem großen Topf anschwitzen, Fleisch dazu geben und scharf anbraten, dabei wenden, damit die Zwiebel nicht anbrennt.

Mit Wein ablöschen, Hitze auf mittlere Stufe reduzieren und die Flüssigkeit einkochen lassen. Sobald der Wein reduziert ist, die pürierten Tomaten dazu geben und das Wasser unterrühren. Mit Salz und Pfeffer würzen und das Ragu bei minimaler Hitze für einige Stunden, mindestens aber 1 1/2 Stunden, köcheln.

Zum Schluss die bissfest gekochten Nudeln mit der Sauce vermengen und servieren.


Fiat Cinquecento

Der Cinquecento traf 1957, als er herauskam, den Zeitgeist. Man wollte mobil sein, auch diejenigen, die sich ein großes Auto nicht leisten konnten. Das Auto war geräumig genug, gerade ausreichend motorisiert und sah knuffig aus. Das Rolldach vermittelte Cabrio-Feeling. Auch wer Rang und Namen hatte, kaufte sich einen, oder ließ sich zumindest mit ihm fotografieren. Die erste Version hatte nur zwei Sitze und die Türen gingen nach hinten auf. Bald erschienen Modelle mit stärkerem Motor und komfortabler Ausstattung.

Auch einen Kombi („Giardiniera“) gab es, mit einem Unterflurmotor, um eine ebene Ladefläche zu schaffen. Der Cinquecento war das anfassbare Symbol des neuen, industrialisierten Italien, des Wirtschaftswunders und der (mobilen) Freiheit.

Der 500 war wie ein Familienmitglied. Das Exemplar in meiner Familie hieß Zia Caterina (Tante Käthe).

Obwohl von außen klein, war er innen ein Raumwunder. Eine große Familie mit Gepäck konnte durchaus darin untergebracht werden. 

Mit dem 40 PS starken Sport wurden Rennen gefahren. Schon 1958 gewann er die 12 Stunden von Hockenheim. Der von Steyr-Puch in Österreich gebaute Cinquecento räumte reihenweise bei Rundstreckenrennen und Rallyes ab.

Entworfen hat das das Auto Dante Giacosa, vom dem auch der Vorgänger, Fiat 500 Topolino und der spätere 126 stammt.

Nach zwanzig Jahren, 1977, nach 3,7 Millionen produzierten Exemplaren, wurde die letzte Produktionslinie, der Giardiniera, eingestellt. 2007 wurde dann der neue Cinquecento vorgestellt.

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Der Cinquecento war in vielen Filmen zu sehen und hatte häufig eine tragende „Nebenrolle“.

 Kleinere (Werbe-)Filme und Dokumentationen

Spielfilme

Die Liste ließe sich noch eine Weile verlängern.

Der Cinquecento in der Popmusik

Fiat heute

Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass die Autoindustrie in Italien alles andere als floriert. 2021 fusionierte der Fiat-Chrysler-Konzern mit der PSA Gruppe, zu der Renault, Citroen, Opel und Vauxhall gehören, zu Stellantis. Seitdem werden die Entscheidungen eher in Paris, als in Turin getroffen.

Außer bei den Luxusmarken, wie z.B. Ferrari, gehen die Verkäufe italienischer Autos zurück. Die Absatzzahlen haben sich in wenigen Jahren halbiert. VW verkauft inzwischen mehr Fahrzeuge als Fiat in Italien. Die Produktionskapazitäten werden zurückgefahren, Produktionshallen stehen leer. Die Süddeutsche spricht von „Deindustrialisierung“ (Artikel am 01.02.2024). Nun soll es ein Programm zur Stärkung der Autoindustrie gaben. Allerdings steht erst einmal Streit zwischen Fiat und der Regierung auf dem Programm.


Fussball

Aus aktuellem Anlass, da Italien beeindruckend auf der europäischen Fußballbühne zurück ist, wird es Zeit, die Institution Fußball („calcio“/“Fußtritt“) zu beschreiben. In Italien hat Fußball einen ähnlichen Stellenwert, wie in Deutschland. Hier wie dort sind ca. 8% der Bevölkerung registrierte Spieler. Beide Nationalmannschaften wurden 4 Mal Weltmeister. Die Squadra Azzurra ist jetzt zwei Mal Europameister, Deutschland drei Mal.

Man hat allerdings den Eindruck, dass die Begeisterung in Italien noch etwas größer ist, als in Deutschland.

Wer kennt nicht Buffon, Totti, Baggio, Maldini..?

Der italienische Fußball ist auch berühmt wegen seiner ausländischen Stars: Zidane, Ronaldo, Kaká, Ibrahimowic, Maradonna…

Und jetzt natürlich wegen seiner Europameister-Mannschaft. La squadra azurra hat nicht nur in Italien die Fußballfreunde begeistert. Der Trainer und sein Assistent, Mancini und Vialli haben schon in den 90ern zusammen bei Sampdoria Genua gespielt und jetzt eine ganz besondere Mannschaft geformt.

Die Verehrung der Tifosi (abgeleitet von Typhus, am Fußballfieber leidend) für Ihre Stars, Vereine und die Nationalmannschaft ist grenzenlos.

Serie A und B entsprechen unserer 1. und 2. Bundesliga, auch Auf- und Abstieg sind gleich geregelt. Auch die Serie C entspricht der 3. (Profi-) Liga. Der Frauenfußball ist reiner Amateurfußball.

Welches sind die bekanntesten und beliebtesten Vereine – gemessen an der „ewigen Tabelle“?

  • Juventus Turin (auch: die alte Dame oder die Weiß-Schwarzen), Hymne: Storia Di Un Grande Amore. Bei Juventus hat die Agnelli-Familie das Sagen, aktueller Präsident ist Andrea Agnelli.
  • Inter Mailand (auch: die Schwarz-Blauen, La Beneamata/Die Lobenswerte und Il Biscione/Die Viper), Hymne: C’è solo l’Inter, gehört zu 67% Chinesen, fast der ganze Rest gehört einem indonesischen Geschäftsmann.
  • AC Mailand (auch: die Rot-Schwarzen, der Teufel), von Berlusconi 2017 an Chinesen verkauft.
  • AS Rom (auch: die Gelb-Roten, die Wölfe, die Magische).
  • AC Florenz (auch die Violette, die Lilien), Schlachtruf „Forza Viola“
  • Lazio Rom, gehört einem amerikanischen Milliardär
  • SSC Neapel, gehört einem italienischen Medienunternehmen
  • FC Turin
  • FC Bolgona
  • Sampdoria Genua (auch: die Blau-Umrahmten: das Logo ist ein Pfeife rauchender Seemann, den Großteil des Emblems ist blau mit einem kleinen weiß-rot-schwarz-weißen Farbring in der Mitte; Sampdoria ist aus den Namen der beiden Clubs abgeleitet, die sich 1946 zusammengeschlossen haben, SG Sampierdarenese, benannt nach dem Genueser Hafenviertel und SG Andrea Doria). 2019 scheiterte ein Verkauf des Vereins an Calcio Invest um Gianuca Vialli.

Lange Zeit waren die Squadra Azzurra aber auch die italienischen Vereine wegen des „Catenaccio“ („Türriegel“) berüchtigt. Eigentlich von einem Österreicher erfunden und in der Schweiz zuerst praktiziert, wurde der Spielstil von Inter Mailand nach Italien gebracht. Mit einem Libero, zwei Vorstoppern und einem Linksverteidiger hinten, einem eher defensiven Mittelfeldspieler, zwei zentralen Mittelfeldspielern und einem rechten „zurückgefallenen“ Flügelspieler wurde die eigene Spielhälfte verriegelt. Vorne spielten zwei Stürmer. So war für gegnerische Mannschaften fast kein Durchkommen.

Auch wenn dieses System nur bis in die 70er gespielt wurde, war eine starke Verteidigung häufig das Merkmal der Italiener – spätestens bis zur EM 2021, in der erfrischender Angriffsfußball gespielt wurde.

Über Fußball wird gerne, immer und überall geredet. Häufig wissen Italiener viel besser über den Fußball in Deutschland, als Deutsche über den italienischen Fußball Bescheid. Man sollte sich also für den Small-Talk über Fußball wappnen. Hier ein kleines Fußball-Wörterbuch:

Die wichtigsten Begriffe:

squadra  Mannschaft
gol / fare und golTor / ein Tor schießen
allenatore, misterTrainer
pallaBall
tiroSchuss
partitaSpiel, Partie
primo/secondo tempoerste/zweite Halbzeit

Spielpositionen, Schiedsrichter

portiereTorwart
difensoreVerteidiger
centrocampistaMittelfeldspieler
attacanteStürmer
arbitroSchiedsrichter
guardalineeLinienrichter

Technisches

calcio di punizioneFreistoß
(calcio di) rigoreElfmeter
fuorigiocoAbseits
calcio d’angoloEckball
cross/traversoneFlankenball

Das Meer

Or entra nello stretto, e passa il corto
Varco, e s’ingolfa in pelago infinito.
Se il mar quì è tanto, ove il terreno il serra,
Che fia colà dov’egli ha in sen la terra?

Fuggite son le terre, e i lidi tutti:
Dell’onda il Ciel, del Ciel l’onda è confine.

Nun schifft es durch die Eng‘, und ohne Bangen
Vertraut es sich dem großen Ozean.
Groß ist das Meer, wo Land es rings umschließt:
Was muss es sein, wo es die Erd‘ umfließt?

Das Land, die Ufer sind dem Blick entzogen;
Das Meer begrenzt die Luft, die Luft das Meer.

Das ist ausnahmsweise mal nicht von Dante, sondern von Torquato Tasso (Das befreite Jerusalem, 23. Und 24. Gesang). Das Meer als Unendlichkeit, Übergang ins Unbestimmte, Gefahr, Grenze. Heute ist das Meer eher Urlaubs- und Sehnsuchtsort, es hat also viele Bedeutungen. 70% der Italiener*innen fahren im Urlaub ans Meer. Zumeist mit der größeren Familie. Anders, als man meinen könnte, bevorzugen fast die Hälfte der Urlauber Naturstrände,  Das Meer ist also etwas ganz Besonderes für Italiener*innen.

Noch heute zeigen viele Schiffe, z.B. auch Vaporetti in Venedig eine Flagge mit den Wappen der 4 Seerepubliken Italiens: Venedig, Genua, Amalfi und Pisa. In der jährlichen Ruderregatta (Regatta der alten Seerepubliken) treten diese Städte gegeneinander an, jedes Jahr abwechselnd in einer der Städte.

Del mare non sappiamo nulla, però ci illudiamo del contrario: passiamo una giornata in spiaggia e pensiamo di guardare il mare, invece vediamo solo „la sua buccia, la sua pelle salata e luccicante“. Forse perché appena sotto, e poi giù fino agli abissi, c’è una vita così diversa e strabiliante da sembrarci assurda, impossibile.

– Wir wissen nichts über das Meer, aber wir machen uns etwas anderes vor: wir verbringen einen Tag am Strand und glauben, auf das Meer zu schauen, stattdessen sehen wir nur seine „Oberfläche, seine salzige und glänzende Haut“. Vielleicht, weil direkt darunter und dann bis zum Abgrund ein Leben so anders und erstaunlich ist, dass es absurd und unmöglich erscheint.

Das steht im Klappentext von Fabio Genovesis „Il calamaro gigante“ (Feltrinelli, März 2021), ein wunderbares Buch, allerdings bisher nur auf italienisch verfügbar.

Den Anfang der Entwicklung der Seerepubliken machte im 10. Jahrhundert Amalfi. Die Normannen und der Rivale Pisa beendeten die Glanzzeit allerdings schon Anfang des 12. Jahrhunderts. Dann kam Pisa, allerdings wurde seine Flotte Ende des 13. Jahrhunderts von Genua besiegt. 1406 wurde Pisa von Florenz einkassiert. Venedig verdankte seine Entwicklung dem Handel mit Byzanz.

Den nächsten Schub brachten die Kreuzzüge und der Orienthandel. Ende des 12. Jahrhunderts eskalierte der Konflikt mit Genua. In der Seeschlacht bei Curzola bekam Venedig schwer auf die Mütze. Genua hatte sich einen Namen im Kampf gegen die Sarazenen gemacht. Ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts errichtete Genua Stützpunkte in Nordafrika, Gibraltar, Spanien, Flandern und England und später auch im östlichen Mittelmeer.

Im Chioggia-Krieg mit Venedig 1381 erlangte Venedig die Oberhand und Genua kam unter venezianische Vorherrschaft – bis Napoleon auch dem ein Ende machte. Allerdings hatte sich schon seit etwa 1600 und noch stärker im 18. Jahrhundert das Zentrum der wirtschaftlichen Entwicklung und des Fortschritts in die Nordsee verlagert, nach Holland, England, Frankreich, Österreich und Deutschland. Das betraf nicht nur  Italien, sondern auch Spanien und Portugal. Dennoch ist es ein großes Erbe, das bis heute nachwirkt.

Dove inizia la fine del mare? O addirittura: cosa diciamo quando diciamo: mare? Diciamo l’immenso mostro capace di divorarsi qualsiasi cosa, o quell’onda che ci schiuma intorno ai piedi? L’acqua che puoi tenere nel cavo della mano o l’abisso che nessuno può vedere? Diciamo tutto in una parola sola o in un sola parola tutto nascondiamo?”

– Wo beginnt das Ende des Meeres? Oder gar: Was sagen wir, wenn wir sagen: Meer? Sagen wir, das riesige Monster, das alles verschlingen kann, oder diese Welle, die um unsere Füße schäumt? Das Wasser, das du in deiner Hand halten kannst oder der Abgrund, den niemand sehen kann? Sagen wir alles in einem Wort oder verstecken wir alles in einem Wort?“

Alessandro Baricco (aus Oceano Mare)
Porto ercole
Pescia Romana
Pescia Romana

Eine Untersuchung der CONFITARMA (Confederazione Italiana Armatori) beleuchtet das Verhältnis der Italiener zum Meer: jeder vierte Italiener kann nicht schwimmen; besonders trifft das auf Personen mit niedrigerem Bildungsstand (56%) und Frauen (33%) zu. In Deutschland gibt es nur 10% Nichtschwimmer.

Diesem Widerspruch zwischen der Allgegenwärtigkeit des Meeres und der gleichzeitigen Vernachlässigung von dessen Möglichkeiten, widmet sich auch die italientreue Zeitschrift Limes in der Ausgabe 10/20. Es wird behauptet, dass die Italiener das Meer in geopolitischer Hinsicht vernachlässigen. Italien hätte vergessen, dass es in der Mitte des Mittelmeeres liege und dieses wiederum in der Mitte zwischen USA, China (Italien als Endpunkt der Seidenstrasse), Afrika und dem Rest von Europa.

Das ist in großen Dimensionen gedacht. So wie es Genua und Venedig in der Vergangenheit vorgemacht haben, sollte sich Italien wieder der Möglichkeiten des Meeres besinnen.

Die Ursache, warum das bisher nicht geschehen ist, wird in der Ausrichtung der Norditaliener an Mitteleuropa gesehen. Die Norditaliener übersähen, was im Rest der Welt vor sich ginge. Ja, das Meer werde sogar als Schwäche angesehen, ist es doch der Weg, über den Migranten nach Italien kämen, und das mit steigendem Meeresspiegel die Küsten bedroht. Während andere Mächte, das Mittelmeer längst als strategischen Ort erkannt haben und handeln, bleibe Italien passiv.

So investiert China in Projekte und Infrastruktur in Triest, Ravenna, Mailand und in Ligurien. Und die USA und andere Länder hätten längst die strategische Bedeutung des Mittelmeers zur Eindämmung von Konflikten in den östlichen und südlichen Anrainerstaaten erkannt.

“Ah, io non chiederei d’essere un gabbiano né un delfino; mi accontenterei d’essere uno scorfano – ch’è il pesce più brutto del mare – pur di ritrovarmi laggiù, a scherzare in quell’acqua.” – Ach, ich würde nicht darum bitten, eine Möwe oder ein Delfin zu sein; Ich wäre damit zufrieden, ein Rotbarsch zu sein – der hässlichste Fisch im Meer -, nur um mich dort zu finden und in diesem Wasser zu scherzen.

Dacia Maraini

Da widmen wir uns doch lieber von solchen Gedanken unbeschwert dem Standleben.

Man wird eine Reihe von Regelhaftigkeiten erkennen. Sich daran zu orientierten schafft ein ganz neues Stranderlebnis. Es nicht zu tun, kennzeichnet einen als Fremdling.

  1. Man geht nicht allein an den Strand, am liebsten mit Vielen – von jung bis alt.
  2. Es gibt eine feste Mittagspause von ca. 12:00 Uhr bis mindestens 15:00 Uhr; dann leert sich der Strand und alle gehen irgendwo Essen. Es sei denn, man hat das gesamte Küchenequipment mitgebracht und es werden die Speisen am Strand zubereitet (das ist Frauensache)
  3. Man macht auch am Strand eine bella figura, also kommt gekleidet an den Strand, zieht sich dort – am liebsten in einer Strandhütte – um und gibt sich möglichst dekorativ. Deshalb stehen Männer häufig nur bis zu den Knien im Wasser und unterhalten sich. Plantschen, schreien und spritzen wird den Kindern überlassen. Teens und Twens loten die Grenze zwischen katastophalem Sonnenbrand und knackiger Bräune aus – ein Ganztages-Experiment.
  4. Man hat unendliche Geduld mit Kindern, laut und wild ist gut.
  5. Stabilimenti balneari (kurz „bagni“) mit kostenpflichtigem Zutritt und Verleih von Liegen und Schirmen und deren Enge und Hochpreisigkeit (100 EUR für eine Familie mit 2 Kindern kommen schnell zusammen) werden stoisch hingenommen.
    Das Thema ist längst ein EU-weites Politikum. Die sog. Bolkestein-Richtline von 2006 verlangt, dass Vergaben von öffentlichen Aufträgen, z.B. von Gemeinden öffentlich europaweit ausgeschrieben werden müssen. Die Strände gehören in der Regel den Gemeinden, also müsste die Verpachtung an die Betreiber der bagni ausgeschrieben werden.
    Dagegen regt sich seit Langem Widerstand. Um Streit zu vermeiden hat die Regierung Conte in 2018 die Konzessionen erst einmal um 15 Jahre verlängert. Es bleibt abzuwarten, ob Draghi auch dieses Thema aufgreift. Der Grund für die Widerstände liegt darin, dass die bagni zumeist kleinen Familienbetrieben gehören. Und man fürchtet, dass bei Ausschreibungen nur die großen italienischen Anbieter Erfolg haben werden, oder gar ausländische Firmen.
  6. Alles, was nicht ausdrücklich erlaubt ist, ist – theoretisch – verboten: Hunde, soweit nicht ausdrücklich erlaubt, Mitnehmen von Muscheln und Sand, Reservieren von Plätzen an freien Stränden, Musik laut hören (ja, auch das), Ball spielen außerhalb der dafür gekennzeichneten Bereiche, FKK.
  7. 5 m gehören allen: die 5m zwischen dem Meer und den Reihen der Liegen in den bagni dürfen von allen betreten werden, dort dürfen keine Liegen stehen. Lange Spaziergänge am Strand sind also möglich.
  8. Man erfreut sich am „Cocco Bello“ der fliegenden Händler, die Stücke von Kokosnüssen, Tücher, Badeutensilien, kalte Getränke, Sonnenbrillen, Modeschmuck und Vieles mehr verkaufen. Das Angebot wird freundlich gemustert, es gibt einen kleinen Plausch, mehr meist nicht. Allerdings gibt es Strände mit einer großen Zahl von Anbietern, wo man schon etwas genervt ist.

Aber alles ist vergessen, wenn man dem Rauschen der Wellen zuhört, mit den Fingern im Sand spielt, den Horizont nach Schiffen absucht und sich ins Wasser stürzt.

„I gesti del nuoto sono i più simili al volo. Il mare dà alle braccia quella che l’aria offre alle ali; il nuotatore galleggia sugli abissi del fondo” – Die Gesten des Schwimmens sind dem Fliegen am ähnlichsten. Das Meer gibt den Armen, was die Luft den Flügeln bietet; der Schwimmer schwimmt auf den Tiefen des Grundes.

Erri de Luca

Wer es weniger tiefgründung mag, hier ein Vergleich von Familien aus Nord- und Süditalien am Strand (in italienischer Sprache). Der Link ist eine Verbindung zu einem Instagram-Video.


Italien

Ristorante

Italiener essen meistens auswärts (angeblich werden 75% der Mahlzeiten außer Haus eingenommen). Gaststätten sind Orte der Geselligkeit. Essen ist Kultur und braucht Zeit.

In kaum einem Land gibt es so viele unterschiedliche Arten von Gaststätten: Osteria, Trattoria, Pizzeria, Ristorante. Und wo gibt es eine schönere Esskultur?

Worüber reden wir?

Damit wir wissen, wovon wir reden, hier die Erläuterungen geordnet nach dem Leistungsangebot: Die Osteria ist eine Schankwirtschaft. Ursprünglich konnte man sich sein Essen selbst mitbringen und es wurde dazu Wein ausgeschenkt. Die meisten gab es früher an größeren Straßen oder an Bahnhöfen. Heute ist es so etwas wie eine familiengeführte Eckkneipe oder ein kleines Weinlokal mit einfacherem Essen zu günstigen Preisen. Wer schon einmal in einer Osteria gegessen hat, weiß, dass es hier ausgezeichnet schmeckt. Im Zuge der Slow-Food-Welle erleben Osterien eine Renaissance. Es gibt sogar ein Buch dazu.

Ganz ähnlich ist heute die Trattoria. Hier liegt der Schwerpunkt allerdings bei den Speisen. Trattorien gibt es typischerweise auf dem Land. Sie sind häufig familiengeführt. Pizza gibt es meistens nicht. In kleineren Orten wird in Trattorien manchmal auch ausgefallener und raffinierter gekocht, aber immer mit regionalen und saisonalen Zutaten. 4-Gänge-Menüs sind üblich. In Deutschland sind Trattorien dagegen häufig eher chic – und teuer.

Das Ristorante bietet das komplette Angebot mit Vor-, Zwischen, Hauptgericht, Nachspeise und begleitenden Getränken bis zum Digestif.

Soweit der Standard.

Wo gibt es noch etwas zu Essen?

In der Bar (eher Häppchen oder ein Stammgericht für Berufstätige), in  der Birreria (kleine Gerichte und Pizza), in der Enoteca/Vineria (Kleinigkeiten zum Wein), in der Paninoteca (warme panini, Toast, Pizza oder Focaccia) und in Schnellimbissen (Tavola calda, Rosticceria).

Geschichte

Warum wird in Italien so gern gegessen? Die Römer haben damit angefangen. Dann gab’s erst einmal eine Pause bis im Mittelalter durch die Erfindung von Fasten- und Nicht-Fastenzeit Völlerei statthaft wurde, besonders ein Feiertagen. Ob es dort in der Breite auf Kochkunst ankam, muss man nicht unterstellen. Erst wieder mit der höfischen Kultur in den Städten des späten Mittelalters und der Renaissance wurde gutes und gepflegte Essen  geschätzt – wenn man es sich leisten konnte. Vorreiter war die Toscana.

Hier hatte schon im Hochmittelalter Mathilde von Canossa Vorarbeit geleistet, in dem Sie Hänge terrassierte, die Bewässerung verbesserte und so die Erträge und die Qualität von Gemüse und Olivenöl und Wein verbesserte. Seit damals ist das Val di Chiana für die Zucht von Kälbern bekannt.

Möglichst jeder wollte gut Essen. Wer keine repräsentativen Räume hatte, stellte die weiß gedeckten Tische auf die Straße. Auch Tischmanieren kamen in Mode.

In den folgenden Jahrhunderten wurde es etwas stiller um die italienische Küche und die Franzosen übernahmen, anfangs kräftig unterstützt von Katharina von Medici.

Und seit dem Mittelalter gab es auch schon guten Wein, z.B. aus dem Chianti, oder den Montepulciano und den Montalcino.

In der Renaissance, als es zum guten Ton gehörte, dass Fürsten alles zeigten, was ihnen nur möglich war, waren auch Bankette en vogue.

In seinem Buch „Il Trichiante“ (der Tranchierer) beschreibt Vincenzo Cervio ein Festmahl in Rom im Jahr 1593 anläßlich des Empfangs der Söhne von Herzug Wilhelm von Bayern. 1000 Gäste sassen an einer riesigen Tafel. Die Speisen waren vergoldet.   

Aus einer anderen Quelle (Cristoforo Messisbugo, Banchetti, composizione di vivande et apparecchio,

erfahren wir, wie es in Ferrara zuging. Das Essen war Teil eines Gesamkunstwerks mit Musik, Theater und Tanz. Die Este erwarben sich so den Ruf besonderer Kunstsinnigkeit.

Mit dem Niedergang der Stadtstaaten und Fürstenhöfe war in Italien auch erst einmal lange Pause bei der Kulinarik. Es tat sich mehr in Frankreich. Immerhin nannte der berühmte Koch Marie-Antoine Carême einen Salat nach Rossini.

Pellegrino Artusi, der es mit Seidenhandel zu Geld gebracht hatte und sich im Ruhestand mit Kochen beschäftigte, riss es dann 1891 mit seinem „La scienza in cucina e l’arte di mangiar bene“ – Die Naturwissenschaft in der Küche und die Kunst des guten Essens – heraus.  Dort wurden die Traditionsgerichte der italienischen Regionen aufgeführt: Fischsuppe, Risotto, Lasagne, Makkaroni, auch Süssigkeiten wie Marzipan und den Babà. Allerdings übersah er einige Regionen, u.a. die Marken, Apulien oder Kalabrien.

Unabhängig von der offiziellen Beschreibung von Gerichten in Büchern hat sich natürlich die Koch- und Esskultur in Italien entwickelt. Allerdings gab es immer wieder Hungersnöte, in denen die Menschen andere Sorgen hatten, als über Esskultur nachzudenken.

Kultur Italien

Dos and Don’ts

  • Sie werden platziert, auch in einer kleinen Gaststätte
  • Ein Essen hat mehrere Gänge, die getrennt serviert werden (wenn Sie keine Vorspeise nehmen, werden alle essen und Sie haben nichts, was allgemein für Peinlichkeit sorgt)
  • Nudeln sind meist Vorspeise, Sie werden also gefragt, was Sie danach essen wollen
  • Essen braucht Zeit, die Wahl der Gerichte, die Bestellung, das Kochen, das Servieren, das Genießen, die Tischgespräche; Essen ist nicht effiziente Nahrungsaufnahme, sondern Genuss; zur Not bestellen Sie von jedem Gang eine kleine Portion
  • Essen ist ein Anlass und erfordert entsprechende Kleidung
  • Nach dem Essen gibt es einen Kaffee, und zwar Espresso; Cappuccino geht nur morgens.
  • Es gibt eine gemeinsame Rechnung, der Ober wird dem Wunsch nach Aufteilung entsprechend den Bestellungen nur sehr ungern nachkommen. Wenn Sie sich an der Rechnung beteiligen wollen, teilen Sie einfach den Gesamtbetrag nach Anzahl der Personen auf.
  • Senden Sie Grüße an den Koch für das gute Essen (wenn es stimmt)
  • Trinkgeld ist nicht zwingend, insbesondere wenn „Coperto“ auf der Rechnung steht. Es ist trotzdem richtig, vom Rückgeld etwas liegen zu lassen, oder sogar noch etwas dazu zulegen. Ein mündliches „Aufrunden“ bei der Übergabe der Rechnung, wie in Deutschland, gibt es nicht. In Bars stehen häufig Sparschweinchen.
  • Und noch ein paar Feinheiten: kein Parmesan auf Nudeln mit Fisch oder Muscheln; Spaghetti Bolognese gibt es eigentlich in Italien nicht, sie heißen Pasta al ragù; während es früher verpönt war, ist es heute durchaus üblich, sich übrig gebliebenes Essen einpacken zu lassen.

Coperto

Das sorgt schon mal für eine hochgezogene Augenbraue: Coperto. Darf der Wirt das überhaupt? Und was ist das?

Coperto ist heute ein Entgelt für das Gedeck (Geschirr, Besteck, Servietten, auch Brot) und auch so etwas wie Trinkgeld.

Der Name (coperto = bedeckt, überdacht) kommt ursprünglich – im Mittelalter – von den überdachten Plätzen in den damaligen Osterien. Man bezahlte also zunächst nur dafür, nicht im Regen sitzen zu müssen. Später weitete sich das dann auf das Gedeck aus. Osterien waren häufig Essensausgaben und Arbeiter brachten Ihr Besteck und ihren Teller selbst mit. Diejenigen, die das nicht hatten, sollten dafür bezahlen. Damals gab es auch keine Festanstellungen für das Personal, sondern umsatzabhängige Bezahlung. Das Coperto zählte zum Umsatz und bestimmte damit auch die Entlohnung der Kellner. Also fair.

Heute kommen die wenigsten mit Teller und Besteck ins Restaurant und doch steht oft das Coperto auf der Karte und der Rechnung. Zulässig ist das – wenn es auf der Karte steht und wenn nicht etwas anderes gilt. Hier greift nämlich das Recht der Regionen und der Gemeinden. Rom hat „Coperta“ verboten. „Brot“ und „Service“ sind in Rom aber erlaubt. Latium hat später noch „Brot“ verboten, „Service“ aber weiter erlaubt.

„Da haben wir’s“ wird manche(r) denken. „Geldschneiderei“. Tatsächlich verdient ein(e) Kellner(in) in Italien im Durchschnitt 1.400 EUR monatlich (in Deutschland 2.100 EUR). In den einfachen Trattorien und Osterien werden wir eher noch schlechter Bezahlten begegnen. Ein Drittel der Kellner*innen ist nicht festangestellt. Hier landet also schon einmal nicht viel. Dann beuten also die Gaststättenbesitzer die Kellner*innen aus und füllen sich die Taschen? Der durchschnittliche Jahresumsatz der 335.000 Gaststätten beträgt 255.000 EUR (2019).

Davon werden die Besitzer nicht reich. Zum Vergleich: in Deutschland gibt es 120.000 Gaststätten mit einem durchschnittlichen Umsatz von 375.000 EUR.

Wir können also völlig beruhigt für Coperto, Pane und Service bezahlen. Wir werden damit nicht die Gier der Reichsten befriedigen sondern ein klein Wenig zum Überleben vieler Familienbetriebe beitragen. Und wir sollten an den Durchschnittsverdienst denken, wenn wir das Trinkgeld geben. Hier können Sie das nachlesen: Rapporto-Ristorazione-2020 und Ristoranti-in-italia-2020

Italienische Restaurants in Köln

Hier können Sie sich in Köln schon einen Vorgeschmack auf Italien holen. Anregungen sind sehr willkommen:


Gelato

Gelato

Ok, erfunden haben es wahrscheinlich 3000 v. Chr. die Chinesen. Aber was wäre das Eis, wenn es die Italiener nicht verfeinert hätten. Marco Polo soll in Italien vom Eis in China berichtet haben und Katharina von Medici brachte im 16. Jahrh. das Eis (eigentlich eine Granita, die in Italien gegessen wurde) nach Paris, als sie Heinrich II. heiratete.  Ihr Hofalchimist, Cosimo Ruggiere sollte eine neuartige Nachspeise erfinden. Aus dem 17. Jahrh. gibt es ein neapolitanisches Eis-Rezeptbuch.

Das Café Procope in Paris eröffnete 1686 ein Italiener, Francesco Procopio di Cultelli. Hier wurde zum ersten Mal in einem Café Speiseeis angeboten. Das erste reine Eiscafé eröffnete auch ein Italiener, allerdings in Paris. Eis „to go“ von kleinen Wagen verkauft – auch von einem Italiener, Carlo Gatti, – erfunden, allerdings in England. Italo Marchioni brachte das Eis nach New York. Er verkaufte es von einem Wagen. Das schlug so gut ein, dass bald 50 Wagen unterwegs waren. Es soll auch die Waffel erfunden haben, da Glasbecher zu Bruch gingen und Pappbecher zu viel Abfall produzierten.

Das Spaghettieis – von einem Italiener erfunden (1969 von Dario Fontanella in Mannheim)

Das sollte als Nachweis reichen, dass Gelato etwas absolut Italienisches ist.

Die „Gelatai“, brachten Mitte des 19. Jahrh. das Eis nach Wien und später nach Deutschland. Sie kamen aus Norditalien, dem Cadore, dem Val di Zoldo im Veneto und aus dem Friaul. Das war und ist mit Entbehrungen verbunden. Den Sommer verbrachten die Eismacher im Norden, über die Wintermonate gingen sie wieder nach Italien. Die Kinder blieben das ganze Jahr in Italien. Vom Bayerischen Fernsehen gibt es eine schöne Dokumentation darüber.

Nach dem 2. Weltkrieg breitete sich die Eisindustrie aus und verdrängte die handwerklichen Eisdielen. Viele mussten schließen. Seit einigen Jahren holt das Gelato Artigianale aber wieder auf.

Bevor wir das italienische Eis allzu sehr verklären, auch dort kennt man sich mit Fertigmischungen aus. Man sollte also darauf achten, welcher Zutaten verwendet werden, und ob das Eis tatsächlich vor Ort hergestellt wird.

Asti

Alles über Eis und ausgefallene Rezepte: https://www.gelatoartigianale.it/

Ein Eis-Museum gibt es in Anzola Emila, nicht weit von Bologna (Via Emilia 45, Anzola Emilia)

Ein kleiner Wortschatz für die Eisdiele:

Waffel (in das das Eis reinkommt): cono

Becher: coppa

Sahne: panna

Kugeln/Geschmackssorten: gusti

Eis in Kaffee, Schokolade, Amarena „ertrunken“: affogato (caffé affogato = Eiskaffee)

Fruchteis: gelato alla frutta

Sahneeis: gelato alla panna, gelato alla crema

Wassereis: ghiacciolo

Halbgefrorenes (eigentlich feingestossenes) Wassereis: Granita

Sorbet: sorbetto


L'edicola - hier in Turin

L’edicola

Ähnlich wie die Bar, ist die edicola ein sozialer Treffpunkt. Man diskutiert die Neuigkeiten, fragt nach der Meinung des Kioskbesitzers/der Kioskbesitzerin. Und vielleicht auch nach dem neuesten Klatsch und Tratsch aus dem Viertel. Sie/Er sieht es einem nach, wenn man nur die Überschriften studiert, ohne die Zeitung gleich zu kaufen. Häufig wird ein Kiosk über Generationen „vererbt“. Gleichzeitig wachsen die Menschen mit dem Kiosk auf. Am Anfang gibt es dort Süßigkeiten oder kleine Spielfiguren, später Kinderzeitschriften mit Spielen oder ein Spielzeug oder einen Ball. Dann die Sport- oder Musikzeitung. Der Kiosk trägt zur Identifikation mit dem Viertel bei.

Asti

Die Realität ist aber auch, dass Zeitungen nur noch von Älteren gelesen werden. Auch in Italien sind die Zeitungskioske auf dem Rückzug. Wohl 1.000 Kioske schließen jedes Jahr. Geringere Auflagen von Zeitungen und Zeitschriften und die zunehmende Digitalisierung werden unmittelbar spürbar. Aber es gibt sie noch, die Kioske.

1880 soll in Bologna, auf der Piazza Nettuno der erste Kiosk gebaut worden sein. 1882 beantragte Ulisse Sicola, einen Kiosk auf der Piazza Sant’Andrea in Mantua zu eröffnen. 1925 wurde der Kiosk auf die Piazza Canossa verlagert, wo er heute noch steht. 1992 hat die FAI (Fondo per l’Ambiente Italiano, eine Stiftung für Denkmalpflege und Naturschutz) ihn erworben, um ihn zu erhalten. Er ist der älteste Kiosk in Italien. 1884 eröffnete einer in  Forli und 1887 einer in Salerno.

In Frankreich war man etwas früher dran. 1857 wurden in Paris die ersten Kioske auf den großen Boulevards aufgestellt.

Alba
Mantua

Der Name edicola bezeichnet ursprünglich (abgeleitet vom lateinischen aedes – Haus, Tempel, Sitz) einen kleinen Schrein oder einen Tabernakel für eine Statue.

Im 19. Jahrhundert fand man die Lektüre von Zeitungen für den modernen Menschen so wichtig, dass den Kiosken diese Bezeichnung verliehen wurde.

Heute sind die edicole wahre Schatztruhen. Neben Zeitungen und Zeitschriften (die häufig umfangreiche Beigaben haben) gibt es Spielzeug, Postkarten, Andenken, Drogerie-Artikel, Fahrkarten, Süßigkeiten, Getränke….Hier bildet sich die Welt ab. Hoch- und Subkultur, Literatur neben Boulevard.

Venedig

Das umfangreiche Angebot ist der Versuch, die Kioske am Leben zu erhalten. Florenz unterstützt die edicole. Die Stadt erlässt den Besitzern die Miete und ermöglicht es, Karten für Oper, Theater und Museen dort zu verkaufen. Auch Genua wirbt dafür, z.B. Personenstandsurkunden in den Kiosken zu erstellen. Man spricht von edicole 4.0. Darunter wird auch verstanden, dass Automaten aufgestellt werden, die rund um die Uhr Getränke und Snacks anbieten.

In Rom wurde eine edicola, in der Ponte Cavour auf dem Lungotevere dei Mellini, zu einem Treffpunkt für Interessierte an internationaler Politik und Wirtschaft. Der Kiosk hat eine bewegte Geschichte. Palmiro Togliatti, von 1947 bis 1964 Generalsekretär der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) schenkte 1948 die Lizenz einer Partisanin, Tasca Sasadio, die gegen die Nazis gekämpft hatte.

Auch in Mailand hat sich ein Kiosk erfolgreich behauptet, der Magni-Kiosk, dem ältesten in Mailand, benannt nach der Eigentümerfamilie, die ihn 1914 aufgebaut hat und seitdem führt.  

Etwas ganz Besonderes ist die edicola 518 in Perugia. Sie ist nicht nur Kiosk für besondere Magazine, sondern auch Buchladen, Kunstgalerie und Ort für Veranstaltungen und „Open-air-Diskussionen“.

Eine kleine Gruppe von Künstlern und Journalisten gründete die Zeitschrift Emergenze. Um den Vertrieb anzukurbeln erwarben Sie „EDICOLA 518“ vor der Kirche Sant'Ercolano.

Hier ein Video, in dem Kiosk-Besitzer ihre Situation schildern.

Sali e Tabacchi

Sali e Tabacchi

Ein ähnliches Angebot, wie in den edicole, gibt es auch in den „Sali e Tabacchi“. Tatsächlich gibt es mehr Tabaccherie (56.000 in 2019) als edocole (14.626)

Deren Geschichte unterscheidet sich allerdings. Der Name deutet auf den Ursprung hin. Zunächst wurden dort Salz und Tabak verkauft. Es waren vom Staat lizensierte Geschäfte für Monopolgüter – hier eben Salz und Tabak. Dafür gab es ein besonderes Ladenschild, das noch heute fast an jeder Ecke zu sehen ist.

Ende des 17. Jahrhunderts erlaubte Papst Alexander VII. als erster im Kirchenstaat den Verkauf durch lizensierte Trafiken. Nach der Einigung Italiens wurde der Verkauf der Monopolgüter ausführlich geregelt. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde über die Trafiken auch Chinin gegen die Malaria verteilt.

Ab 1918 wurden weitere Monopolgüter verkauft und die Tabbachierie erhielten eine Nummer, die auch auf dem Ladenschild sichtbar war. 1956 wurde schließlich das weiße „T“ auf schwarzem oder blauem Grund vorgeschrieben und seit 1984 werden auch Gebührenmarken, seit 1987 Lotto- und Toto-Scheine verkauft – und dies auf den Schildern dokumentiert. Das Salzmonopol wurde 1974 abgeschafft. Der Name der Trafiken wurde aber beibehalten.

Heute kann man viele Produkte erwerben, Kreditkarten beantragen, Rubbellose kaufen, Telefone aufladen, Snacks und Getränke kaufen usw. Häufig gibt es auch Automaten.

Und ebenso, wie die edicola ist auch die tabaccheria ein sozialer Treffpunkt.

Hier gibt es ein Video.

Via Giuseppe Garibaldi, 9bis, Troino
Via Giuseppe Garibaldi 9 bis B, Turin
Via del Carmine, Turin
10 Via Pietro Micca, Turin

Welche Bedeutung der Tabak in früheren Zeiten hatte, zeigt beispielhaft die alte Tabakfabrik in Turin.

König Viktor Amadeus II. wollte mit dem Monopolgut Tabak nicht nur handeln, sondern auch die Produktion von Zigarren und Zigaretten aufziehen. 1758 beauftragte er die Errichtung eines neuen Industriekomplexes mit angegliederten Plantagen und Saatbeeten für Tabak. Das Projekt der Regia Fabbrica del Tabacco war inspiriert von den königlichen Fabriken in Frankreich. Mühlen, Werkstätten, Lagerhäuser und Wohnhäuser wurden gebaut, sowie ein Kanal ausgehoben für den Abtransport  des Tabaks, der heutige Canale del Regio Parco. Auf dem Gelände befand sich auch eine Papierfabrik.

Um 1840 wuchs die Stadt rund um die Fabrik; zu dieser Zeit war die Manifattura Tabacchi mit 600 Arbeitern die größte Fabrik in Turin und nach der Einigung Italiens die zweitgrößte des Landes. Im Jahr 1875 zählte sie schon rund 2.500 Arbeiter und Angestellte.

Die Fabrik war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ein richtiges Gemeinwesen. Auf dem Gelände befand sich eine Kinderkrippe, das so genannte Incunabolo und ein Kindergarten, eine Grundschule, die Guardia di Finanza, Kantinen, Unterkünfte für die Angestellten, und Freizeiteinrichtungen mit Theater, einer Spielhalle und Bars und die Kirche San Gaetano da Thiene.

Die Geschichte der Manifattura Tabacchi di Torino endete im Jahr 1996.

Jetzt wird aus dem Komplex ein Kulturzentrum und eine Dependance der Universität.


Sanremo-Festival

Sanremo-Festival – auch nur ein weiteres Musikfestival? Ganz sicher nicht. Sanremo war der Vorläufer des Eurovisions-Contest. Es ist ein bedeutendes jährliches Musikfestival und wurde erstmals 1951 von dem italienischen Rundfunksender Rai (Radiotelevisione Italiana) ins Leben gerufen.

Das Festival beschäftigt und eint ganz Italien. Es ist Dauerthema (viele schauen jeden Tag bis in den frühen Morgen die Ausscheidung), Dauergesprächsstoff mit allen Ereignissen und Skandälchen und ein echtes Ereignis für Jung und Alt. In 2024 ist die meistgehörte Playlist bei Spotify die mit den Liedern des Festivals. Man hört sie im Radio, in den Clubs, überall. Viele kennen die Texte auswendig und viele versuchen sich an den Tanzbewegungen.

Man hatte sich nach dem Krieg Gedanken gemacht, wie man nach der Zeit des Faschismus Italien positiver präsentieren könnte. Außerdem wollte man die italienische Musiktradition – im wesentlichen die Oper und süditalienische Volksmusik – fördern. Und natürlich auch den Tourismus ankurbeln. Vornedran bei der Initiative war Sanremo. Zunächst war ein Jazzfestival geplant. Der Fabrikant Pier Busseti hatte die Idee, mit der RAI zusammenzuarbeiten, und das Festival im Radio übertragen zu lassen, allerdings mit populärer Musik.

Das Festival wurde ursprünglich als eine Art Wettbewerb zwischen italienischen Songwritern und -interpreten konzipiert, die ihre neuesten Kompositionen präsentieren und bewerten lassen konnten. In den ersten Jahren war es ausschließlich ein Radioprogramm, ab 1955 wurde es auch im Fernsehen ausgestrahlt und gewann dadurch immer mehr an Popularität.

Im Laufe der Jahre hat das Sanremo-Festival viele bekannte Künstler hervorgebracht, darunter Mina, Adriano Celentano, Gianni Morandi, Eros Ramazzotti und Laura Pausini. Es hat dazu beigetragen, einige der bekanntesten Lieder der italienischen (Pop-)Musikgeschichte hervorzubringen, wie zum Beispiel „Nel blu dipinto di blu“ von Domenico Modugno, auch bekannt als „Volare„, das 1958 beim Festival vorgestellt wurde.

Das Festival begann traditionell. Gott, Vaterland und Familie dominierten die Themen. Spätestens mit „Volare“ kam der Umschwung, sowohl bei den Themen, also auch bei der Art der Performance, hin zu mehr Modernität.

Man unterschied mehrere Sängertypen, die „Schreier“ (urlatori), Domenico Modugno, Mina, Adriano Celentano), die Sänger (cantautori)  z.B. Gino Paoli und Beatmusik.

In den 60ern wurde das Festival internationaler und auch sozialkritischer. Viele Künstler nutzen das Sanremo-Festival als Plattform, um politische Botschaften zu verbreiten und soziale Themen anzusprechen. Einige von ihnen, wie beispielsweise Fabrizio De André, wurden wegen ihrer kontroversen Ansichten und ihres Engagements von der italienischen Regierung kritisiert und sogar zensiert.

Dramatisch wurde es 1967, als der Zweitplatzierte, Luigi Tenco, aus Gram Selbstmord beging.

In den 70ern ließ das Interesse an dem Festival nach. In den 80ern versuchte man deshalb eine Neukonzeption mit stärkerer Rolle der Moderatoren. Tatsächlich blieben die jeweils aktuellen Interpreten weitgehend fern und die Größen der Vergangenheit bestritten das Programm. In den 90ern und im folgenden Jahrzehnt konnten dann wieder jüngere Sänger*innen gewonnen werden.

Heutzutage ist das Sanremo-Festival wieder ein wichtiger Bestandteil der italienischen Kultur und wird von Millionen von Menschen im Fernsehen und im Radio verfolgt. Die Bedeutung des Festivals geht jedoch weit über die Welt der Musik hinaus. In der Tat hat es auch politische, soziale und kulturelle Implikationen. Es ist – in guten Jahren – ein wichtiger Ort, an dem kulturelle Debatten und Diskussionen stattfinden. Es wird von vielen als eine Art Spiegelbild der italienischen Gesellschaft betrachtet, da es sowohl die jüngsten Trends in der Musik als auch die politischen, sozialen und kulturellen Fragen widerspiegelt, die das Land beschäftigen.

In den letzten Jahren hat das Sanremo-Festival auch eine zunehmend internationale Ausrichtung erhalten, da viele bekannte internationale Künstler an dem Event teilgenommen haben. Trotzdem bleibt das Festival fest in der italienischen Kultur und Geschichte verankert und wird jedes Jahr von Millionen von Italienern mit Spannung erwartet.

Das Sanremo-Festival hat im Laufe der Jahre viele denkwürdige Momente hervorgebracht, die für die Künstler und das Publikum gleichermaßen bedeutend waren. Hier sind einige Beispiele:

  • 1958 belegte Domenico Modugno mit „Nel blu dipinto di blu“ nur den dritten Platz. Das Lied wurde zu einem internationalen Hit und gewann sogar den Grammy Award für „Record of the Year“ im Jahr 1959.
  • 1964 trat der damals noch relativ unbekannte Adriano Celentano beim Sanremo-Festival auf und stellte sein Lied „Non è vero“ vor. Die Performance wurde von vielen als Skandal empfunden, da Celentano seine eigene Version von Italienisch sang, die stark vom Englischen und anderen Sprachen beeinflusst war. Trotzdem gewann das Lied den zweiten Platz und wurde ein großer Hit, der Celentanos Karriere einen großen Schub gab.
  • 1967 trat Claudio Villa mit dem Lied „Granada“ auf, das ein Cover eines berühmten spanischen Liedes war. Die Performance war so erfolgreich, dass Villa 6 Zugaben bringen musste.
  • 1971 trat Lucio Battisti mit dem Lied „L’Apparenza“ auf, das von vielen als provokant angesehen wurde, da es offen über Themen wie Sexualität und Drogen sprach. Das Lied gewann den dritten Platz, und obwohl es von vielen Radiostationen boykottiert wurde, wurde es ein großer Erfolg.
  • 1990 stellte Eros Ramazzotti sein Lied „Se bastasse una canzone“ beim Sanremo-Festival vor. Der Song war ein großer Erfolg und wurde zu einem der bekanntesten Lieder Ramazzottis. In einem denkwürdigen Moment der Show trug Ramazzotti seine Mutter auf die Bühne und sang das Lied für sie, was sowohl für ihn als auch für das Publikum sehr bewegend war.
  • 1994 trat die italienische Pop-Ikone Mina auf und sang „Ma se ghe penso“. Die Performance war so emotional und überwältigend, dass Mina in Tränen ausbrach. Die Performance gilt heute als eine der denkwürdigsten in der Geschichte des Festivals.
  • 2018 gewann der italienische Rapper Fabrizio Moro zusammen mit dem Sänger Ermal Meta das Sanremo-Festival mit ihrem Lied „Non mi avete fatto niente“. Der Song war ein politisches Statement gegen den Terrorismus und die Gewalt, das von vielen als mutiger und wichtiger Beitrag zur Debatte um diese Themen angesehen wurde.
  • 2019 trat Mahmood auf und gewann mit seinem Lied „Soldi„. Die Performance und der Sieg waren historisch, da Mahmood der erste Künstler mit ausländischen Wurzeln war, der das Festival gewann und das Lied eines Künstlers mit nordafrikanischen Wurzeln in der konservativen italienischen Gesellschaft zu einem großen Hit wurde. Die Performance von Mahmood wurde auch von vielen als kraftvolle Aussage für die Integration und die Vielfalt in Italien angesehen.
  • 2021 gewann Maneskin mit Zitti e Buoni – und danach gewannen Sie auch den ESC

Maneskin
  • 2023 hielt Roberto Benigni eine Rede, die ein Loblied auf die italienische Verfassung war (wahrscheinlich in Richtung der Fratelli d’Italia gemeint) und sogar Sergio Matarella war kurz anwesend (wohl um zu zeigen, dass es das rechtsstaatliche Italien noch gab. Und natürlich ließ es sich Chiara Ferragni nicht nehmen, in Dior-Kleidern mit Statements für Freiheit und gegen Hass und Sexismus zu werben.
  • 2024 gewann die 22-jährige Angelina Mango mit den Lied „Noia“ (Langeweile), knapp vor dem Rapper und Publikumsliebling Geolier aus Neapel mit „I‘ p’me, tu p‘ te“ („ich für mich, du für dich“, so schön kurz, wie es die Neapolitaner lieben).

Das Sanremo-Festival hat eine immense Bedeutung für die italienische Kultur und Musik, insbesondere für Süditalien. Das Festival hat in den letzten 70 Jahren einige der bekanntesten italienischen Künstler und Lieder hervorgebracht und sich als wichtige Plattform für die Förderung der italienischen Musik etabliert.

Neapolitanische Lieder spielen auch eine wichtige Rolle beim Sanremo-Festival und in der italienischen Musik im Allgemeinen. Diese Lieder werden oft von Tenören oder Sopranistinnen in einer opernähnlichen Weise gesungen. Die Lieder behandeln oft Themen wie Liebe, Verlust und das Leben in der Stadt. Viele dieser Lieder wurden im Laufe der Jahre zu italienischen Standards und sind heute ein wichtiger Teil des nationalen Kulturerbes.

Einige Beispiele von süditalienischen Liedern und Opernsängern, die eine Rolle beim Sanremo-Festival gespielt haben, sind:

  • „O sole mio“ ist ein neapolitanisches Lied, das ursprünglich im Jahr 1898 komponiert wurde und seitdem zu einem der bekanntesten italienischen Lieder der Welt geworden ist. Das Lied wurde auch beim Sanremo-Festival aufgeführt und von vielen italienischen Künstlern interpretiert.
  • „Caruso“, ein weiteres neapolitanisches Lied, das von Lucio Dalla im Jahr 1986 geschrieben wurde. Das Lied ist eine Hommage an den berühmten neapolitanischen Tenor Enrico Caruso
  • Franco Battiato, ein Musiker und Komponist aus Sizilien, trat mehrere Male beim Sanremo-Festival auf. Battiato ist bekannt für seine einzigartige Mischung aus Pop- und Avantgarde-Musik und hat viele erfolgreiche Alben in Italien veröffentlicht.
  • Pino Daniele aus Neapel war bekannt für seine Mischung aus Jazz, Blues und neapolitanischen Liedern.
  • Luciano Pavarotti trat mehrere Male beim Festival auf und gewann auch den Kritikerpreis.
  • Andrea Bocelli gewann auch den Kritikerpreis.

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